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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich
Autoren: Robert Jordan
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Schwertes mit dem langen Griff, wie es die Behüter benützten, war ein Reiher eingraviert, das Kennzeichen eines Schwertmeisters, und Min wußte nicht, ob es Gawyn gehörte oder ihn bedrohte. Die Flagge trug Gawyns Wappen mit dem angreifenden Weißen Keiler, aber der Untergrund war grün und nicht rot wie auf der Flagge Andors. Sowohl Schwert wie auch Flagge verblaßten zusammen mit dem Blut.
    »Sei vorsichtig, Gawyn.« Das war auf zwei verschiedene Dinge gemünzt. Vorsichtig mit dem, was er sagte, und vorsichtig auf eine Art, die sie ihm nicht erklären konnte, die ihr selbst unerklärlich war. »Du mußt sehr vorsichtig sein.« Er suchte in ihrem Gesicht nach einer Andeutung dessen, was er herauszuhören geglaubt hatte. »Ich... werde mir Mühe geben«, sagte er schließlich. Er grinste. Es war beinahe das jungenhafte Grinsen, an das sie sich noch erinnerte, aber es war ganz eindeutig gekünstelt. »Ich denke, ich sollte nun besser wieder auf das Übungsgelände zurückkehren, wenn ich mit Galad schritthalten will. Ich habe heute morgen zwei von fünf Gängen gegen Hammar gewonnen, aber Galad hat tatsächlich dreimal gesiegt, beim letztenmal, als er sich herabließ, auf dem Übungsgelände zu erscheinen.« Mit einem Mal schien er sie erst richtig zu bemerken, und sein Grinsen wurde ehrlich. »Du solltest öfters Kleider tragen. Das steht dir gut. Denk daran, ich werde bis Sonnenuntergang dort sein.« Als er ging und dabei ein wenig von der tödlichen Grazie der Behüter verströmte, wurde Min bewußt, daß sie sich das Kleid an der Hüfte glattstrich, und sie hörte sofort damit auf. Licht, versenge alle Männer!
    Sahra atmete tief aus, als habe sie die ganze Zeit über die Luft angehalten. »Er sieht sehr gut aus, nicht wahr?« sagte sie verträumt. »Nicht so gut wie Lord Galad natürlich. Und Ihr kennt ihn ja tatsächlich!« Das war zur Hälfte als Frage gemeint, aber nur zur Hälfte eben.
    Min ahmte das Seufzen der Novizin nach. Das Mädchen würde in den Quartieren der Novizinnen mit ihren Freundinnen klatschen. Der Sohn einer Königin war ein natürliches Gesprächsthema, besonders wenn er auch noch gut aussah und etwas von den Helden aus den Geschichten der Gaukler an sich hatte. Eine fremde Frau machte das Ganze nur noch interessanter. Nun ja, sie konnte nichts dagegen machen. Und es konnte jetzt wohl auch kaum mehr schaden.
    »Die Amyrlin wird sich schon fragen, wo wir nur bleiben«, sagte sie.
    Sahra kam plötzlich wieder zur Besinnung. Die Augen weit aufgerissen, fuhr sie zusammen und schluckte vernehmlich. Dann packte sie mit einer Hand Min am Ärmel, zerrte sie zur Tür, öffnete hastig einen Flügel und zog Min hinter sich her hinein. In dem Augenblick, als sie drinnen waren, knickste die Novizin eiligst und plapperte voller Panik: »Ich habe sie gebracht, Leane Sedai. Frau Elmindreda? Die Amyrlin will sie wirklich sehen?« Die hochgewachsene Frau mit der kupferfarbenen Haut im Vorraum trug die Stola der Behüterin der Chronik, und zwar in Blau, um zu zeigen, daß sie der Blauen Ajah entstammte. Mit den Fäusten auf die Hüften gestützt wartete sie, bis das Mädchen fertig war, und dann entließ sie die Novizin mit einem knappen: »Hast lange genug gebraucht, Kind. Jetzt zurück an deine Arbeit.« Sahra knickste wieder und trippelte genauso schnell hinaus, wie sie eingetreten war.
    Min stand da, den Blick gesenkt und die Kapuze immer noch weit nach vorn gezogen. Vor Sahra einen Fehler zu begehen war schon schlimm genug gewesen, obwohl die Novizin wenigstens ihren Namen nicht kannte, aber Leane kannte sie besser als jede andere in der Burg bis auf die Amyrlin. Min war sicher, daß das jetzt keine Rolle mehr spielte, aber nach dem, was sie draußen im Flur erfahren hatte, wollte sie sich besser an Moiraines Anweisungen halten, bis sie mit der Amyrlin allein war.
    Diesmal halfen ihr die guten Absichten jedoch nicht. Leane war mit zwei Schritten bei ihr, schob die Kapuze zurück und knurrte, als habe man ihr einen Schlag in den Magen versetzt. Min hob den Kopf und sah sie trotzig an, als wolle sie ihr zeigen, daß sie sich nicht hatte an ihr vorbeistehlen wollen. Glattes, dunkles Haar, nur ein wenig länger als ihr eigenes, umrahmte das Gesicht der Behüterin, das nun sowohl Überraschung zeigte wie auch Ärger darüber, daß sie überrascht war.
    »Also bist du doch Elmindreda, oder?« sagte Leane knapp. Sie sprach immer in kurzen, knappen Sätzen. »Ich muß schon sagen, in diesem Kleid siehst du auch
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