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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich
Autoren: Robert Jordan
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nur an den verdammten Namen erinnert!
    »Frau Elmindreda?« Min fuhr zusammen. Die schwarzhaarige Novizin, die vor ihr stand, war kaum alt genug, von zu Hause wegzugehen, vielleicht fünfzehn oder sechzehn, gab sich aber alle Mühe, würdevoll zu erscheinen. »Ja? Ich bin... So heiße ich.« »Ich heiße Sahra. Wenn Ihr bitte mitkommen würdet... « - Sahras Stimme klang erstaunt -, »die Amyrlin wird Euch jetzt in ihren Arbeitsräumen empfangen.« Min seufzte erleichtert und folgte ihr.
    Die Kapuze ihres Umhangs verbarg nach wie vor ihr Gesicht, doch das hinderte sie nicht daran zu sehen, und je mehr sie sah, desto stärker wurde ihr Wunsch, zur Amyrlin zu kommen. Nur wenige Menschen gingen durch die breiten, nach oben führenden Korridore mit ihren in leuchtend bunten Fußbodenkacheln und ihren Wandbehängen und goldenen Lampenhaltern. Die Burg war für eine viel größere Zahl von Menschen erbaut worden, als sich jetzt darin befanden. Doch beinahe jeder Mensch, den sie erblickte, trug eine Aura von Gewalt und Gefahr mit sich herum.
    Behüter eilten vorbei und schenkten den beiden Frauen keinerlei Aufmerksamkeit. Diese Männer bewegten sich mit der Grazie pirschender Wölfe. Ihre Schwerter schienen ihre Gefährlichkeit noch zu unterstreichen. Aber für Min hatten sie blutige Gesichter oder trugen klaffende Wunden. Schwerter und Speere tanzten bedrohlich um ihre Köpfe. Ihre Auren blitzten wild auf, tanzten flackernd am Abgrund des Tods. Sie sah tote Männer umhergehen, wußte, sie würden am gleichen Tag sterben wie die Aes Sedai im Foyer oder höchstens einen Tag später. Selbst einige der Bediensteten, Männer und Frauen mit der Flamme von Tar Valon auf der Brust, die geschäftig ihren Aufgaben nachgingen, trugen Anzeichen von Gewalt. Eine Aes Sedai, die sie ganz kurz in einem Seitengang erspähte, schien Ketten zu tragen, und eine andere, die den Korridor vor Min und ihrer Führerin überquerte, trug deutlich zu erkennen ein silbernes Halsband. Min stockte der Atem, als sie das sah. Sie hätte am liebsten geschrien.
    »Das wirkt wohl alles überwältigend auf jemanden, die es nie zuvor gesehen hat«, sagte Sahra, die sich erfolglos bemühte, das alles so selbstverständlich klingen zu lassen, als spreche sie über ihr Heimatdorf. »Aber Ihr seid hier in Sicherheit. Die Amyrlin wird schon alles in Ordnung bringen.« Ihre Stimme quiekste ein wenig, als sie die Amyrlin erwähnte.
    »Licht, hoffentlich kann sie das«, murmelte Min. Die Novizin lächelte sie an. Es sollte wohl beruhigend wirken.
    Als sie schließlich das Vorzimmer zu den Arbeitsräumen der Amyrlin erreichten, fühlte Min sich sterbenselend, und sie trat Sahra fast auf die Fersen. Nur weil sie ja vorgeben mußte, hier fremd zu sein, rannte sie nicht voraus.
    Ein Türflügel zu den Gemächern der Amyrlin öffnete sich, und ein junger Mann mit rotgoldenem Haar trat heraus. Er prallte fast mit Min und ihrer Begleiterin zusammen. Hochgewachsen und kräftig, angetan mit einem blauen, reich bestickten Mantel mit Gold an Ärmeln und Kragen, so war Gawyn aus dem Hause Trakand, der älteste Sohn der Königin Morgase von Andor: jeder Zoll ein stolzer junger Lord. Ein wütender junger Lord. Sie hatte keine Zeit, den Kopf zu senken. Er blickte direkt unter ihre Kapuze in ihr Gesicht.
    Vor Überraschung riß er die Augen auf, doch dann verengten sie sich zu schmalen Schlitzen aus blauem Eis. »Also seid Ihr zurück. Wißt Ihr vielleicht, wohin meine Schwester und Egwene gegangen sind?« »Sind sie nicht hier?« Min vergaß alles und wurde von Panik ergriffen. Bevor ihr klar wurde, was sie tat, packte sie ihn an den Ärmeln, sah ihm eindringlich in die Augen und drängte ihn einen Schritt zurück. »Gawyn, sie haben sich schon vor Monaten auf den Weg zurück zur Burg gemacht! Elayne und Egwene und auch Nynaeve. Mit Verin Sedai und... Gawyn, ich... ich... « »Beruhige dich«, sagte er und löste sanft ihre Hände von seinen Ärmeln. »Licht! Ich wollte dir keine Angst einjagen. Sie sind sicher angekommen. Und sie sagten kein Wort darüber, wo sie gewesen sind und warum. Jedenfalls nicht zu mir. Ich glaube, es besteht auch wenig Hoffnung, daß du es mir sagen wirst, oder?« Sie glaubte, ein nichtssagendes Gesicht zu machen, doch er sah sie kurz an und sagte dann: »Das dachte ich mir. An diesem Ort gibt es mehr Geheimnisse, als... Sie sind schon wieder verschwunden. Und Nynaeve mit ihnen.« Nynaeves Namen fügte er beinahe beiläufig hinzu. Sie mochte eine von Mins
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