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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich
Autoren: Robert Jordan
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eingeschüchtert, indem man ihnen von Männern erzählte, die die Eine Macht benützen konnten, Männer, die dazu verflucht waren, durch das vom Dunklen König befleckte Saidin, die männliche Hälfte der Wahren Quelle, zum Wahnsinn getrieben zu werden. Am schlimmsten war die Geschichte von Lews Therin Telamon, dem Drachen, Lews Therin Brudermörder, der die Zerstörung eingeleitet hatte. Was das betraf, packte auch die Erwachsenen bei dieser Geschichte das kalte Grauen. Es war prophezeit worden daß der Drache in der schlimmsten Stunde der Not wiedergeboren würde, um in Tarmon Gai'don, der Letzten Schlacht, gegen den Dunklen König zu kämpfen, aber das änderte wenig daran, wie die Menschen die Verbindung von Männern mit der Einen Macht betrachteten. Jede Aes Sedai jagte nun gnadenlos jeden Mann, der die Macht lenken konnte, und unter den sieben Ajahs waren es besonders die Roten, die kaum je etwas anderes taten.
    Natürlich war es noch immer so, daß man sich an die Aes Sedai wandte, wenn man ihre Hilfe brauchte, aber nur wenige Männer konnten sich darüber hinwegsetzen, auf irgendeine Art mit den Aes Sedai und der Macht in Verbindung zu treten. Eine Ausnahme bildeten natürlich die Behüter, aber jeder von ihnen war durch einen Eid an eine Aes Sedai gebunden und konnte wohl kaum mit den anderen Männern in einen Topf geworfen werden. Es gab ein Sprichwort: »Ein Mann wird eher den eigenen Kopf abschneiden, um einen Splitter loszuwerden, als eine Aes Sedai um Hilfe zu bitten.« Frauen sagten das, wenn sie die Dummheit der Männer betonen wollten, aber Min hatte von einigen Männern gehört, daß es immer noch besser sei, eine Hand loszuwerden...
    Sie fragte sich, was diese Menschen wohl tun würden, wenn sie wüßten, was sie wußte. Vielleicht schreiend davonrennen? Und wenn sie den Grund kannten, der sie hierher führte, würde sie wohl nicht einmal mehr lange genug überleben, um von der Burgwache verhaftet und ins Verlies geworfen zu werden. Sie hatte Freundinnen in der Burg, doch keine mit Macht oder Einfluß. Wenn man von ihrer Absicht erfuhr, würden sie kaum Gelegenheit haben, ihr zu helfen. Im Gegenteil, vermutlich würden sie zusammen mit ihr dem Henker ausgeliefert - falls sie überhaupt lange genug am Leben bliebe, um noch vernommen oder vor einen Richter gestellt zu werden. Die Wahrscheinlichkeit war größer, daß ihr Mund lange vorher für immer verstummen würde.
    Sie sagte sich, daß sie aufhören müsse, an so etwas auch nur zu denken. Ich komme hinein, und ich werde auch wieder herauskommen. Licht, verseng Rand al'Thor dafür, daß er mich in diese Lage gebracht hat!
    Drei oder vier Aufgenommene, junge Frauen in Mins Alter, schritten von einem zum anderen durch den runden Raum und sprachen leise mit den Bittstellern. Ihre weißen Kleider wiesen keinen Zierrat auf, bis auf die sieben Farbbänder am Saum, von denen jedes die Farbe einer Ajah repräsentierte. Von Zeit zu Zeit erschien eine Novizin, ein Mädchen oder eine junge Frau ganz in Weiß, und führte jemanden weiter in die Burg hinein. Die Bittsteller folgten immer diesen Novizinnen mit einer eigenartigen Mischung von erregtem Eifer und ängstlichem Zögern.
    Min ergriff ihr Bündel noch fester, als eine der Aufgenommenen vor ihr stehenblieb. »Das Licht erleuchte Euch«, sagte die Frau mit dem Lockenkopf in geschäftsmäßigem Tonfall. »Ich heiße Faolain. Wie kann Euch die Burg behilflich sein?« Auf Faolains dunklem runden Gesicht stand deutlich die Geduld eines Menschen geschrieben, der eine anstrengende Arbeit erledigt, obwohl er viel lieber etwas anderes täte. Vielleicht studieren; das konnte sich Min bei einer Aufgenommenen gut vorstellen. Lernen, um selbst eine Aes Sedai zu werden. Wichtiger für sie war aber, daß die Aufgenommene sie offensichtlich nicht erkannte. Die beiden hatten sich bei Mins früherem Aufenthalt in der Burg kennengelernt, wenn auch nur flüchtig.
    Trotzdem senkte Min in gespielter Unterwürfigkeit den Kopf. Das war nicht unnatürlich; viele Leute vom Land verstanden nicht, daß es von einer Aufgenommenen bis zur Aes Sedai noch ein Riesenschritt war. Hinter der Kante ihrer Kapuze war ihr Gesicht gut verborgen, und sie blickte auch noch von Faolain weg.
    »Ich habe eine Frage an die Amyrlin selbst«, begann sie, und dann hörte sie mit einemmal mit Sprechen auf, als drei Aes Sedai gleichzeitig innehielten, um einen Blick in die Halle zu werfen; zwei standen unter einem Bogen und eine weitere etwas
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