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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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Jen Morley ihre Wut an wildfremden Menschen auslassen würde.«
    »Dennoch hat er dabei eine Rolle gespielt«, sagte Jones, »wenn auch, ohne es zu wollen und zu wissen.«
    »Das Gleiche könnte man von Harold Shipmans Ehefrau sagen, dem Arzt, der über zweihundert Patienten ermordete. Sie können doch nicht jemanden, den eine engere Beziehung mit einem Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung verbindet, für dessen Verbrechen verantwortlich machen.«
    Das immerhin akzeptierte Jones mit einem Nicken. »Aber es
scheint doch so gewesen zu sein, dass jeweils etwas, was Charles sagte oder tat, eine psychotische Reaktion hervorgerufen hat. Alle drei Morde wurden verübt, nachdem Charles und Jen Morley sich gesehen hatten.« Er hielt inne. »Was meinen Sie dazu?«
    »Was kümmert es Sie, was ich meine, wenn Sie einen Psychologen an der Hand haben?«
    »Sie stehen Charles näher als jeder von uns.«
    »Selbst wenn das stimmte, müssten Sie vor allem Jen Morley verstehen, und über die weiß ich nicht mehr als Sie - bis auf das, was Charles mir erzählt hat.«
    »Ich höre.«
    Jackson schüttelte den Kopf. »Ich bin gemeiner Feld-, Waldund Wiesenarzt und kein forensischer Psychologe.«
    »Wenn an Ihnen irgendetwas Feld, Wald und Wiese ist, bin ich im falschen Beruf«, meinte Jones sarkastisch. »Mich interessieren Ihre Eindrücke, Doktor, ich brauche keinen Vortrag über Soziopathie.«
    Jackson lächelte breit. »Das könnte ich vielleicht besser.« Sie hob beschwichtigend die Hände. »Okay, okay.« Sie überlegte einen Moment. »Der offenkundige Auslöser sind die Zurückweisungen, die sie von ihm erfahren hat... aber es hat sie auch stark erregt, einen Mann hilflos zu sehen. Sie wendete den Elektroschocker zweimal vorher gegen ihn an, sie hat also offensichtlich die Macht genossen, die das Gerät ihr verschaffte.«
    »Er hätte sie schon nach dem ersten Mal verlassen sollen.«
    »Glauben Sie, Charles weiß das nicht? In der Rückschau ist alles immer so verdammt einfach. Frauen sind für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Zu Hause hatte er nur eines gelernt: sich nicht auf Auseinandersetzungen einzulassen. Und so wie Jen gestrickt ist, passte ihr das hervorragend. In gewisser Weise war er der perfekte Partner für sie.«
    »Glauben Sie, sie hat das erkannt?«
    »Wahrscheinlich. Ich glaube, sie mochte ihn wohl mehr, als ihm bewusst war.«

    »Warum hat sie ihn dann auf diese Weise angegriffen?«
    »Sie sprechen von dem Zwischenfall mit dem Elektroschocker? Er hatte ihr den Laufpass gegeben, und sie wollte das nicht akzeptieren.«
    Jones machte ein skeptisches Gesicht. »Und da hat sie gedacht, wenn sie ihm eine knobkerrie in den Hintern rammt, würde er es sich anders überlegen?«
    »Sie war wütend und wollte es ihm heimzahlen. Bei blinder Wut gibt es keine Logik.« Jackson zuckte mit den Schultern bei Jones’ Miene. »Ach, was weiß denn ich? Vielleicht hat Charles recht, und ihr geht es immer nur ums Erniedrigen.«
    Es blieb einen Moment still.
    »Das eine schließt das andere nicht aus«, bemerkte Beale. »Wut verlangt im Allgemeinen danach, den Gegner niederzumachen - sei es mit Worten oder mit körperlicher Gewalt.«
    »Warum ist sie dann beim Lieutenant nicht bis zum Letzten gegangen, als sie ihn in ihrer Gewalt hatte?«, fragte Jones. »Warum hat sie ihn am Leben gelassen?«
    »Weil sie ihn geliebt hat«, antwortete Jackson. »Bei häuslicher Gewalt treffen oft heftige Zuneigung und das Bedürfnis nach Macht und Manipulation zusammen.«
    »Sie scheinen sehr überzeugt, dass Jen Morleys Gefühle echt waren. Ist der Lieutenant auch Ihrer Meinung?«
    »Nein. Er glaubt, sie hätte in ihm nur den Geldgeber gesehen.«
    »Und warum sehen Sie das anders?«
    »Weil Charles derjenige war, der das Interesse verlor. Er wollte eine gleichwertige Partnerschaft - das Gegenteil von dem, was seine Eltern ihm vorzuleben schienen -, und er begann, sich von Jen zurückzuziehen, als er erkannte, wie fordernd sie war. Daraufhin kam bei ihr die Aggression zum Durchbruch. Sie wollte unbedingt, dass er bleibt; er wollte gehen.«
    »Vielleicht kam ja ihr wahrer Charakter auch einfach erst ans Licht, nachdem sie einen Ring am Finger hatte«, warf Beale ein.

    Jackson nickte. »Das auch... Und die Drogen haben sicher ebenfalls das ihre dazu beigetragen. Es ist möglich, dass sie zu Beginn der Beziehung ernsthaft versuchte, von ihrer Sucht loszukommen, und rückfällig wurde, als sie erkannte, wie das alltägliche Leben eines Soldaten
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