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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal
Autoren: Frederick Forsyth
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stärker und unmittelbarer beeindruckte als Gerichtsurteile.
    Am 22. Februar landete die Kopie eines Memorandums, das der Direktor der Abteilung II des SDECE (Spionageabwehr/Innere Sicherheit) dem Innenminister zugeleitet hatte, auf dem Schreibtisch des Aktionsdienstchefs. Der Inhalt sei hier auszugsweise wiedergegeben:
    »Es ist uns gelungen, den Aufenthaltsort des ehemaligen Obersten der französischen Armee, Antoine Argoud, eines der Haupträdelsführer der subversiven Bewegung, ausfindig zu machen. Er ist nach Westdeutschland entflohen, wo er, den Informationen unseres dortigen Abwehrdienstes zufolge, einige Tage zu verbleiben beabsichtigt…
    In Anbetracht dieses Umstandes sollte es möglich sein, Argoud zu stellen und gegebenenfalls zu ergreifen. Da der an die zuständigen westdeutschen Sicherheitsbehörden gestellte Antrag unseres Spionageabwehrdienstes abgelehnt worden ist und die genannten Behörden jetzt annehmen, daß unsere Agenten Argoud und anderen OAS-Verschwörern auf der Spur sind, müßte das Unternehmen, soweit es die Person Argouds betrifft, mit blitzartiger Schnelligkeit und unter äußerster Geheimhaltung ausgeführt werden.« Die Aufgabe wurde dem Aktionsdienst übertragen. Am 25. Februar nachmittags traf Argoud, von Rom kommend, wo er mit anderen OAS-Führern zu einer Besprechung zusam-mengetroffen war, wieder in München ein. Anstatt sich sogleich in die von ihm in der Unertlstraße gemietete Wohnung zu begeben, fuhr er im Taxi zum Hotel Eden-Wolff, wo er offenbar für eine geplante Konferenz ein Zimmer reserviert hatte.
    Zu der Konferenz ist er nie erschienen. In der Hotelhalle traten zwei Männer auf ihn zu, die ihn in akzentfreiem Deutsch ansprachen. Argoud, der die beiden offenbar für deutsche Kriminalbeamte hielt, griff in seine Brusttasche, um seinen Paß hervorzuziehen.
    Er fühlte, wie seine Arme mit schraubstockartigem Griff gepackt wurden, während seine Füße sich vom Boden hoben. Man schleifte ihn zu einem wartenden Wäschereiauto hinaus. Er versuchte zum Schlag auszuholen und wurde von einem Sturzbach französischer Flüche überschüttet. Eine harte Faust traf seine Nase, eine andere schlug ihm in die Magengrube, ein Finger tastete nach dem neuralgischen Punkt unter seinem Ohr, und sein Bewußtsein erlosch wie ein Licht.
    Vierundzwanzig Stunden später klingelte in der Brigade Criminelle der Police Judiciaire am Quai des Orfèvres Nr. 36 in Paris das Telephon. Eine heisere Stimme, die behauptete, im Auftrag der OAS zu sprechen, erklärte dem Sergeanten, der den Anruf entgegennahm, Antoine Argoud befände sich, »säuberlich verschnürt«, in einem hinter dem PJ-Gebäude geparkten Lieferwagen. Wenige Minuten später wurde die Tür des Lieferwagens aufgerissen, und vor den Augen der staunend im Halbkreis versammelten Polizeibeamten taumelte Argoud heraus.
    Seine Augen, die vierundzwanzig Stunden lang verbunden gewesen waren, vermochten nichts zu erkennen. Argoud mußte gestützt werden, um nicht zusammenzusinken. Sein Gesicht war mit getrocknetem Blut bedeckt, das von dem Faustschlag auf die Nase herrührte, und seine Mundhöhle schmerzte von dem Knebel, den die Polizeibeamten daraus entfernten. Befragt, ob er Oberst Antoine Argoud sei, flüsterte er tonlos: »Ja.« Auf bis heute nicht-geklärte Weise hatte ihn der Aktionsdienst in der vorhergegangenen Nacht über die Grenze geschafft, und der anonyme Anruf bei der Polizei wegen des auf ihrem eigenen Parkplatz für sie hinterlegten »Pakets« war nur ein für die vom Aktionsdienst bevorzugte Art von Humor kennzeichnender Scherz gewesen.
    Eines aber hatte der Aktionsdienst nicht bedacht: die Ausschaltung Argouds wirkte sich auf die OAS zwar ungemein demoralisierend aus, zugleich aber hatte sie zur Folge, daß nun Argouds schattenhafter Stellvertreter, der wenig bekannte, aber nicht minder intelligente Oberstleutnant Marc Rodin, die Leitung der auf die Beseitigung de Gaulles abzielenden Operationen übernahm. Und das sollte sich für die Regierung als ein schlechter Tausch erweisen.
    Am 4. März verkündete der Oberste Militärgerichtshof sein Urteil über Jean-Marie Bastien-Thiry. Er und zwei andere Angeklagte wurden zum Tode verurteilt, desgleichen drei weitere Mittäter - unter ihnen das »Hinkebein« Watin -, die flüchtig waren. Am 5.März lauschte General de Gaulle drei Stunden lang schweigend den von den Anwälten der Verurteilten vorgebrachten Gnadengesuchen. Zwei der Todesurteile verwandelte er in lebenslängliches
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