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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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wieder zurück. »Nur, damit ich das richtig verstehe: Dieser Lurch hier« – er deutete auf den Lordprotektor, der sich bei der respektlosen Bezeichnung an seinem Wein verschluckte – »ersetzte den echten Schürfminister durch einen seiner kriminellen Kumpels? Damit der neue Schürfminister die Stollen gnadenlos ausbeutete und die Minenarbeiter ohne jede Rücksicht verheizte?« Er überlegte kurz, dann schnippte er mit den Fingern. »Um anschließend einen Großteil der gesteigerten Erträge an den Büchern vorbei in seine Tasche zu wirtschaften.« Wieder deutete er auf Hindrych, der mit gleichgültiger Miene sein Glas festhielt. »Um Hind zu ermöglichen, seine Schulden abzustottern!«
    »Und weiterzuspielen«, ergänzte Hippolit. »Der Lordprotektor war nämlich keinesfalls gewillt, von seinem kostspieligen Hobby abzusehen.«
    Begeistert über seine gelungene Rekonstruktion langte Jorge über Hindrychs Kopf hinweg, packte die Weinkaraffe, setzte sie an die Lippen und trank den verbliebenen Inhalt ohne abzusetzen aus. Dann runzelte er abermals die Stirn. »Aber wenn der neue Borkudd … Wie hieß der Mann eigentlich richtig, Bursche?« Er machte eine drohende Geste, als wollte er Hindrych die leere Karaffe über den Schädel ziehen.
    »Yosef«, sagte der Zwerg schnell. »Herr Yosef, bis dato beschäftigt als Beamter mittleren Dienstgrades irgendwo in der Minenverwaltung.«
    »Also, wenn dieser Yosef einer deiner Jungens war«, resümierte Jorge weiter, die Karaffe gedankenverloren auf zwei Fingern balancierend, »wieso musste er dann jetzt dran glauben? Und wie, bei Batardos, habt ihr ihm das Licht ausgeblasen?«
    »Ich vermute, auch das Herz von Herrn Yosef war nicht aus Stein«, sprang Hippolit wieder ein. »Die ständigen Briefe von Frauen, die durch seine Willkür zu Witwen geworden waren, von Familien, die durch ihn ihre Ernährer verloren hatten, müssen in ihm schon seit Langem Zweifel an seinem Tun genährt haben. War es nicht so, Herr Hindrych?«
    Hindrych nickte, die Augen halb geschlossen. Er machte jetzt einen richtiggehend gelangweilten Eindruck, als ginge ihn das, was sich in seinem Schlafgemach abspielte, überhaupt nichts an. »Yosef, dieser Narr«, stieß er abfällig hervor, »kam eines Tages zu mir und sagte, er könne ›das Leid der Massen‹ nicht mehr ertragen. Ob wir nicht auf den alten, moderateren Kurs in der Grobonskonitförderung zurückschwenken könnten. Warum ich nicht endlich aufhörte zu spielen, fragte er – mich, seinen Lordprotektor! Warum ich nicht meine Schulden aus der Staatskasse begliche und meinen Untertanen wieder ein zwergenwürdiges Dasein ermöglichte!« Die ohnehin gerötete Gesichtshaut des Herrschers nahm bei der Erinnerung an diese Unterredung einen gefährlich dunklen Farbton an.
    »Aber das konnten Sie nicht«, warf Hippolit ein. »Eine solche Ausgabe hätte die Wirtschaft Barlyns in die Knie gezwungen. Und die Schmach nach dem Bekanntwerden Ihrer Spielsucht wäre noch längst nicht alles gewesen: Dieser Schritt hätte das Ende Ihrer Regentschaft bedeutet.«
    »So ist es.« In Hindrychs Augen blitzte es unheilvoll. »Deshalb musste Yosef gehen.«
    »Wie Ihr treuer Diener Everard den Ärmsten beseitigte, wissen wir mittlerweile«, erklärte Hippolit nicht ohne Stolz.
    »So, wissen Sie das?« Hindrych schien nicht übermäßig überrascht.
    »So, wissen wir das?« Jorge dagegen schon.
    »Lediglich der Abschiedsbrief, nachweislich geschrieben von Borkudds – will sagen: Yosefs – Hand, gab uns bis zuletzt Rätsel auf.«
    »Allerdings, bei Batardos!«, bestätigte Jorge. »Bis zuletzt!«
    Ein geschmeicheltes Lächeln umspielte Hindrychs Lippen, als er sich zurücklehnte und erneut das Weinglas hob. »Meine eigene Idee«, verkündete er. »Frietrych erschien am frühen Abend im Schürfministerium …«
    »Vizeminister Frietrych gehörte also ebenfalls zur Riege Ihrer Handlanger?«, warf Hippolit ein.
    »Er half seit Jahren aktiv, die Bücher zu manipulieren.« Hindrych reckte das Glas in die Höhe und beobachtete, wie sich das Licht von Hippolits Glutglobulus in der roten Flüssigkeit brach. Unauffällig peilte er dabei durch das Glas hinweg eine komplexe Wasseruhr an, die auf einer Kommode gegenüber dem Bett stand. »Zu jener Zeit, als wir Borkudd austauschten, war Frietrych unglücklicherweise erst kurz im Amt; er konnte noch nicht offiziell dessen Nachfolge als Schürfminister antreten. Sonst hätten wir uns das Täuschungsmanöver mit Yosef sparen
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