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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije
Autoren: Willi Seidel
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Wasserpfeifen mit Kokusbehältern schmauchend, zufrieden schwatzend unter dem großen Fikusbaum, unter dem blassen Schatten der gelbbraunen Luftwurzeln; von den Kronen der Palmen, die steil und träumend in den Höfen standen, hingen die Datteln klumpenweise, und kleine braune Tauben gurrten und zankten sich in weichen Lauten, auf und nieder trippelnd, auf den Nilschlammfirsten.
    Die Männer hatten jetzt das Laufen aufgegeben und schritten ohne ein Zeichen der Ermüdung würdig dahin wie drei Schêschs, die sich getroffen haben und selbander zu Markte gehen. Ihre baumwollenen Mäntel blähten sich; sie setzten ihre Stöcke stramm und selbstbewußt auf den Boden –: heut war ein großer Festtag! Daûd hatte seinen Vater noch nie in so fürstlicher Verfassung gesehen. Bisweilen wandte sich der Vater um und sah ihn zwinkernd an: »Hehe, was,Daûd, das ist nicht ein Tag wie die vielen anderen!« Dann langten sie bei der Hütte an und traten jauchzend ein. Zabal warf seinen Stock in die Ecke und klatschte in die Hände, deren Teller ganz rot von Henna waren. Und siehe: nun steckte Umm-Dabbûs ihren Kopf durch das Mauerloch herein.
    Auch sie schien jünger zu sein als sonst ... Sie hatte neben der Eselskrippe gesessen und Dungkuchen gemacht; nun war sie müßig und auf das Wohl der Männer bedacht. Zabal also hob seinen Wollrock und seine halbseidene Kelabije bis zu den Knien und stieg behende durch das Loch im Lehm zu ihr herein; und seine Freunde stießen sich abwechselnd an der Luke und lachten spitzbübisch und lärmend. Dort drinnen sang Zabal ganz hoch und leise; plötzlich brach er ab und kam zurück, mit zerzaustem Backenbart und ausgelassen wie ein junges Kalb. Auch Umm-Dabbûs verbarg ihre Heiterkeit nicht; ihr gestreiftes Leinenhemd hing halbgeöffnet herab; ihre schieferfarbenen Brüste drängten sich kameradschaftlich, mit blauen Ornamenten geziert, aus dem Saum hervor, und ihr Mund war weit gespalten von festlicher Zufriedenheit. Nachdem sie ihre Hände vom Kamelmist gereinigt, fuhr sie schmeichelnd über die Gesichter, und dabei auch über das Daûds; und während sie hin und her ging, klirrte der verzinnte Kupferschmuck an ihren Hand- und Fußgelenken; leise und verführerisch klirrte er, mit zartem Metallton ... Und als sie sich über das mitgebrachte Fleisch und die Eingeweide beugte, um sie zu kochen, traf einSonnenblitz durch das Dach ihren kreisförmigen Ohrzierat und entlockte ihm eine gelbe Flamme, die klein und gleißend aufzüngelte, sooft sie den Nacken drehte.
    Da schrie Zabal in die lärmende Lustigkeit der Männer hinein: »Bei Gott, Umm-Dabbûs, ich will eine Kasîde singen, einen großen Gesang; deine Ohrringe fordern dazu heraus, denn sie beschimpfen die Leute!« Umm-Dabbûs warf ihm ihren bersimgefärbten Pantoffel an den Kopf und sprach: »Eine Kasîde? O Zabal, sie wird dem Kleiewasser ähneln; denn deine Verse sollten mit Eselsurin an die Kirchenmauern geschrieben werden.« »O du Hündin,« erwiderte der Vater, »horche zu! Der Flötenspieler verbirgt seinen Kinnbart nicht, weshalb soll ich meine Kunst nicht leuchten lassen? Ein beredter Mann baut sein Gedicht aus Perlen; und ich bin wahrlich darin erfahren.« Da lachte sie mit ihrer Kehlstimme recht herzhaft auf und sprach: »O Zabal, heute spreizest du dich wie ein Gemeindewidder; von wannen sollte dir solches Wissen kommen? Sonst denkst du an nichts als an Knüppel und Prügel, an Kleinvieh und Schöpfwerk, an Schlamm und Mistschlepperei, du trägst das Pflugholz hinter dem Nacken, wenn du dich auch als Schêsch gebärdest ... Ihr seid hohle Köpfe und geile Wänste, du samt deinen Genossen. Morgen schüttelst du wieder die Läuse aus deinem Hemd und deinem alten Fasergürtel und rennst mit wirrer Tarbuschtroddel barfuß durch Hitze und Dornen – – – Und du willst eine Kasîde dichten?«
    Da warf sich Zabal in die Brust und sprach: »Beim Leben meines Bartes, das will ich. Horche zu, du, deren Liebesgetändel im Ofenqualm den Sprüngen der Affen ähnelt!« Die Freunde fielen fast auf den Rücken, so lachten sie über das Zwiegespräch. Und Zabal begann seinen Gesang.
    Es wurde ganz still in der Hütte. Umm-Dabbûs ließ das Fleisch weiterbrodeln und setzte sich mit gekreuzten Beinen lautlos hin, ganz verblüfft und entzückt. Denn nachdem Zabal mit der Zunge tremoliert hatte, als ziehe er zuvörderst mit bebender Hand den Bogen über das Seitenpaar einer Hochzeitsvioline, sang er mit volltönender Stimme wie ein bezahlter
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