Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Galbraith
Vom Netzwerk:
Von Tassen ganz zu schweigen.
    Auf Strikes Aufforderung ließ Bristow sich nieder, um sich dann mit einer Miene in dem schäbigen Büro umzusehen, die Strike zu seinem Bedauern nur als Enttäuschung deuten konnte. Der potenzielle Klient wirkte nervös – auf eine schuldbewusste Art, die Strike intuitiv mit argwöhnischen Ehemännern in Verbindung brachte; und doch strahlte er eine gewisse Autorität aus, die nicht zuletzt seinem offensichtlich teuren Anzug geschuldet war. Strike fragte sich, wie Bristow auf ihn gekommen war. Durch Mundpropaganda an Auftraggeber zu gelangen gestaltete sich schwierig, wenn die einzige Klientin (wie sie oft genug schluchzend am Telefon bekannte) keine Freunde hatte.
    »Mr. Bristow, was kann ich für Sie tun?«, fragte er und setzte sich ebenfalls.
    »Es … äh … Nun, vielleicht könnten wir zuerst … Ich glaube, wir sind uns schon mal begegnet.«
    »Wirklich?«
    »Sie erinnern sich sicher nicht mehr an mich. Es ist viele Jahre her … Aber ich glaube, Sie waren ein Freund meines Bruders Charlie. Charlie Bristow? Er starb … Er verunglückte, als er neun war.«
    »Verdammt noch mal«, sagte Strike. »Charlie … Ja, ich erinnere mich.«
    Tatsächlich erinnerte er sich sehr gut. Charlie Bristow war einer von vielen Freunden gewesen, die er während seiner schwierigen, turbulenten Kindheit gehabt hatte. Charlie war ein wilder, waghalsiger Junge mit einer geradezu magnetischen Ausstrahlung gewesen, außerdem Anführer der coolsten Gang der Londoner Schule, an die Strike kurz zuvor gewechselt war. Charlie hatte einen Blick auf den hünenhaften Neuzugang mit dem starken Cornwall-Akzent geworfen und ihn sofort zu seinem besten Freund und Adjutanten ernannt. Zwei aufregende Monate der Busenfreundschaft und des groben Unfugs folgten. Strike war von der wohlgeordneten Routine, die in anderen – vernünftigeren, konventionelleren – Familien herrschte, immer fasziniert gewesen, genau wie von der Vorstellung, jahrelang ein und dasselbe Kinderzimmer zu bewohnen. Daher hatte er auch Charlies geräumiges, luxuriöses Haus noch in lebhafter Erinnerung: den großen, sonnenbeschienenen Rasen, das Baumhaus, die Zitronenlimonade, die Charlies Mutter ihnen servierte.
    Und dann brach am ersten Schultag nach den Osterferien beispielloser Schrecken über ihn herein, als ihnen die Klassenlehrerin mitteilte, dass Charlie nicht mehr zurückkommen werde, dass er tot sei, im Urlaub in Wales in einem Steinbruch mit dem Fahrrad in den Abgrund gefahren. Da die Lehrerin eine gemeine alte Hexe war, konnte sie nicht widerstehen, der Klasse zu predigen, dass Charlie, wie sie wohl wüssten, des Öfteren nicht auf die Erwachsenen gehört habe, die ihm ausdrücklich verboten hätten, in der Nähe des Steinbruchs Fahrrad zu fahren, dass er es aber trotzdem getan habe, möglicherweise aus Angeberei . Hier war sie gezwungen, sich etwas zurückzunehmen, da zwei Mädchen in der ersten Reihe anfingen zu schluchzen.
    Von diesem Tag an hatte Strike stets das Gesicht eines lachenden blonden Jungen vor Augen, sobald er einen Steinbruch sah oder sich nur vorstellte. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn ein jeder seiner damaligen Mitschüler die gleiche Angst vor dem großen schwarzen Abgrund, dem tiefen Fall und dem unbarmherzigen Stein zurückbehalten hätte.
    »Ja, ich erinnere mich an Charlie.«
    Bristows Adamsapfel hüpfte ganz leicht.
    »Wissen Sie, mir ist Ihr Name im Gedächtnis geblieben. Ich sehe Charlie noch ganz deutlich vor mir, wie er im Urlaub, in den letzten Tagen vor seinem Tod, von Ihnen sprach: ›mein Kumpel Strike‹, ›Cormoran Strike‹. Ungewöhnlicher Vorname. Woher kommt ›Cormoran‹ eigentlich? Hab ich noch nie zuvor gehört. Hat das irgendetwas mit dem Vogel zu tun?«
    Bristow war beileibe nicht Strikes erster Klient, der versuchte, ein Gespräch über das Anliegen, das ihn hierhergeführt hatte, so lange wie möglich hinauszuzögern, indem er über das Wetter, die City-Maut oder seine Heißgetränkvorlieben plauderte.
    »Nein. Angeblich mit einer Legende aus Cornwall«, erklärte Strike.
    »Ach, wirklich? Aha. Wissen Sie, ich war auf der Suche nach Unterstützung in einer bestimmten Angelegenheit, und da bin ich im Telefonbuch auf Ihren Namen gestoßen.« Bristows Knie federte auf und ab. »Sie können sich sicher vorstellen, wie mir … Nun ja, es kam mir vor wie … wie ein Zeichen. Ein Zeichen von Charlie. Dass ich das Richtige tue.«
    Er schluckte, und sein Adamsapfel hüpfte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher