Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Galbraith
Vom Netzwerk:
Stimme schallte durch das Treppenhaus. »Ich hab Sie nicht gesehen … Ich konnte ja nicht ahnen, dass da jemand …«
    »Was ist denn da oben los?«, rief der verschrobene, eigenbrötlerische Grafikdesigner aus dem Büro im ersten Stock, und eine Sekunde später war auch über ihnen eine gedämpfte Beschwerde zu hören. Offensichtlich fühlte sich der Wirt der Kneipe im Erdgeschoss, der in der Mansardenwohnung über Strikes Büro lebte, ebenfalls gestört oder war womöglich von dem Krach geweckt worden.
    »Kommen Sie rein …«
    Strike drückte die Tür mit den Fingerspitzen auf, damit er die davor kauernde Frau nicht aus Versehen berührte, und komplimentierte sie in sein Büro.
    »Alles in Ordnung?«, rief der Grafikdesigner in quengelndem Tonfall herauf. Strike warf die Bürotür hinter sich zu.
    »Geht schon wieder«, log Robin mit zitternder Stimme. Sie stand vornübergebeugt mit dem Rücken zu ihm da und hielt noch immer die Hand auf die Brust gepresst. Nach ein, zwei Sekunden richtete sie sich auf und drehte sich um. Ihr Gesicht war puterrot, die Augen noch feucht.
    Ihr Angreifer wider Willen war gewaltig; durch seine Größe und beträchtliche Körperbehaarung, gepaart mit einem deutlichen Bauchansatz, erinnerte seine Erscheinung an einen Grizzly. Er hatte ein angeschwollenes blaues Auge; unter der Augenbraue befand sich ein Schnitt. Geronnenes Blut füllte die weiß umrandeten Kratzspuren auf seiner linken Wange und auf der rechten Seite seines dicken Halses, soweit dieser unter dem offen stehenden, verknitterten Hemdkragen sichtbar war.
    »Sind Sie M-Mr. Strike?«
    »Ja.«
    »I-Ich bin die Aushilfe.«
    »Die was?«
    »Die Aushilfe. Von Temporary Solutions Personallösungen.«
    Selbst die Nennung der Zeitarbeitsagentur konnte den ungläubigen Ausdruck nicht von seinem zerschundenen Gesicht vertreiben. Sie starrten einander fassungslos und beinahe feindselig an.
    Genau wie für Robin stellten die letzten zwölf Stunden auch für Cormoran Strike einen Wendepunkt im Leben dar. Diese Nacht würde er so schnell nicht vergessen. Und jetzt, so schien es, hatte ihm das Schicksal auch noch eine Botin in einem hübschen beigefarbenen Trenchcoat geschickt, um ihm unter die Nase zu reiben, dass sein Leben auf eine Katastrophe zusteuerte. Er konnte sich keine Aushilfe leisten. Als er Robins Vorgängerin entlassen hatte, war er davon ausgegangen, dass dies auch den Vertrag mit der Zeitarbeitsagentur beenden würde.
    »Wie lange sollen Sie denn hier arbeiten?«
    »Ei-eine Woche erst mal«, sagte Robin, die noch nie mit so wenig Begeisterung an einem neuen Arbeitsplatz willkommen geheißen worden war.
    Strike überschlug es kurz im Kopf: Eine Woche zu den exorbitanten Preisen der Zeitarbeitsagentur würde seinem Dispokredit einen irreparablen Schaden zufügen. Wahrscheinlich würde diese Ausgabe sogar den Tropfen darstellen, der das Fass endgültig zum Überlaufen brachte – worauf sein Kreditgeber nur wartete.
    »Entschuldigen Sie mich einen Moment.«
    Er verließ den Raum durch die Glastür, wandte sich nach rechts und betrat die winzige, nasskalte Toilette. Er schob den Riegel vor und starrte in den gesprungenen, verdreckten Spiegel über dem Waschbecken.
    Es war kein schöner Anblick. Strike hatte die hohe, gewölbte Stirn, die breite Nase und die dichten Brauen eines jungen Beethoven, der regelmäßig in den Boxring stieg – ein Eindruck, der durch das angeschwollene blaue Auge noch bekräftigt wurde. Sein dickes Haar – mit Locken wie Matratzenfedern – war der Grund, warum man ihm in seiner Jugend unter anderem den Spitznamen »Muschikopf« verpasst hatte. Er wirkte älter als seine fünfunddreißig Jahre.
    Strike steckte den Stöpsel in den Abfluss, ließ kaltes Wasser in das ramponierte, schmutzige Waschbecken laufen, holte tief Luft und tauchte den pochenden Kopf komplett unter. Dass dabei Wasser über seine Schuhe schwappte, nahm er angesichts wohltuender zehn Sekunden eisiger, blinder Stille gern in Kauf.
    Unzusammenhängende Bilder der vergangenen Nacht jagten durch sein Gehirn: wie er drei Schubladen mit seinen Habseligkeiten in eine Sporttasche leerte, während Charlotte ihn anschrie; wie ein Aschenbecher ihn an der Augenbraue traf, als er sich an der Tür noch einmal umdrehte; wie er zu Fuß durch die dunkle Stadt zu seinem Büro lief, wo er auf dem Schreibtischstuhl ein, zwei Stunden Schlaf fand; und die abschließende, grässliche Szene, als Charlotte ihn in den frühen Morgenstunden hier aufspürte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher