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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren
Autoren: Gunnar Kunz
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Gefolgsleute ihre Vorbereitungen für den kommenden Kampf, schweigend sammelten sie sich vor den Maueröffnungen, der größere Teil vor dem neu geschaffenen Durchbruch, ein kleiner Rest vor dem Tor.
    Der ehemalige Waffenmeister hatte sich bis Sonnenaufgang in Wut getobt. In unkontrollierter Raserei biss er in seinen Schild und knurrte und heulte, dass so mancher Mann sein Amulett umklammerte oder eine stumme Bitte an Wodan schickte. Der Zeitpunkt, zu dem der Trank seine volle Wirkung entfalten würde, war gut berechnet gewesen. Mit einem Ruck warf der Mannwolf das Fell von seinen Schultern. Ohne dass es ihm jemand sagen musste, wusste er, dass es Zeit war. Sein Instinkt sagte es ihm. Sein Jagdinstinkt.
    Scheu öffneten die Niflungen eine Gasse für ihn. Scheu, aber mit entschlossen erhobenen Speeren. Ein Berserker war oft nicht in der Lage, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Sollte er sich gegen sie wenden, würden sie zustoßen. Ein Mannwolf hatte keine Sippe, er gehörte nicht länger zur menschlichen Gemeinschaft. Er war bereits tot. Doch das Wesen, das einst Hagen gewesen war, besaß offenbar noch einen Rest von Bewusstsein, denn es kroch die Gasse aus Menschenleibern entlang, ohne sich um die Männer zu kümmern. Hinter ihm schlossen sich die Reihen der Krieger.
    Vor dem Mauerdurchbruch hielt der Wolf an und hob das Gesicht in den Wind. Ein intensiver Geruch von Angst drang ihm in die Nase und weckte seinen Blutdurst. Sein Auge glühte, als er ein halblautes Knurren ausstieß. Das Verlangen, seiner Wut freien Lauf zu lassen, wurde übermächtig. Mit einem Heulen zeigte er an, dass er den Feind gewittert hatte.
    Als sei dies das Signal zum Angriff, rannten die Niflungen unter Kriegsgeschrei zum Durchbruch, rissen weiteres Mauerwerk los, weil alle gleichzeitig durch die Lücke drängten, und brachen wie ein Gewitter über die verunsicherten Hunen und Friesen herein. Der Anblick des nackten, blutbeschmierten Mannwolfes allein genügte, um Panik in den Herzen der Feinde auszulösen. Schreiend warfen Einzelne, die den Druck nicht aushielten, ihre Schilde weg und flohen. Attala ließ sie von seinen eigenen Männern niedermachen, um eine Panik zu verhindern. Der größte Teil der Krieger hielt stand und stürzte sich den Niflungen entgegen.
    Der Mannwolf hetzte mit gewaltigen Sprüngen mitten in die Menge der Hunen und Friesen hinein, die vor lauter Angst nicht richtig zielten und ihn allesamt mit ihren Pfeilen und Äxten verfehlten. Mit bloßen Händen, mit Krallen und Zähnen attackierte er die Feinde, und seine Wirkung war verheerender als die einer ganzen Streitmacht. In blinder Raserei fiel er Attalas Männer an und zerriss sie regelrecht. Kein Stahl konnte ihn aufhalten, keine Brünne bot Schutz vor seinem Wüten. Der Mensch, der einmal Hagen gewesen war, existierte nicht mehr. Er war zu einem wilden Tier geworden. Geifer troff aus seinem Maul, in seinem Auge stand Mordlust. Gnadenlos tötete er, was ihm in die Quere kam. Es hatte etwas Grausiges, zwischen den brünnebewehrten Männern diesen nackten Dämon zu sehen, über und über mit Blut bedeckt, das ihn vor Verletzungen zu schützen schien. Das Blut war seine Brünne.
    Die Niflungen hielten sich sorgsam hinter ihm, denn sie wussten, dass seine Instinkte jetzt eine primitive Stufe erreicht hatten, die keine Differenzierung mehr zuließ. Der Blutgeruch machte ihn verrückt. Er bahnte sich seinen zerstörerischen Weg durch Menschenleiber und vernichtete, was ihm vor die Zähne kam; nichts und niemand wurde verschont. Tollwütig wie ein Hund warf er sich hierhin und dorthin und verbreitete Angst und Schrecken, wo immer er auftauchte. Je mehr er um sich biss, desto größer wurde sein Verlangen zu töten, desto mächtiger fühlte er sich. Der Zustand der Besessenheit setzte ungeahnte Kräfte in ihm frei, es gab keine Erschöpfung, kein Nachlassen der Angriffslust; jedes getötete Opfer verlieh ihm neue Energie.
    Gernholt kämpfte selbst wie ein Berserker. Um der Schmerzen in seinen Eingeweiden Herr zu werden, hatte er eine viel zu große Menge bilisa geschluckt und nahm seine Umwelt dadurch kaum noch wahr. Berauscht stand er mit dem Rücken zur Mauer und hieb mit seinem Arm so unermüdlich um sich wie andere mit beiden. Dabei schrie er sinnloses Zeug, unternahm waghalsige Manöver, die einen Gesunden das Leben gekostet hätten, und gebärdete sich wie ein Irrsinniger. Nicht umsonst nannte man die bilisa auch Tollkraut. In Mengen genommen verursachte sie
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