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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet
Autoren: Orson Scott Card
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Wehrlose. Wir sind zivilisiert, daher verhalten wir uns auch zivilisiert.«
    »Dieser Mann wird seinen Whisky an rote Männer verkaufen. Wird sie im Dreck liegen lassen wie Würmer. Wird seinen Whisky an rote Frauen geben. Sie schwach machen wie ein verblutendes Reh, damit sie alles tun, was er sagt.«
    »Wenn er das tun sollte, werden wir ihn festnehmen«, erwiderte Harrison. »Dann kommt er vor ein Gericht und wird bestraft.«
    »Wenn er es tut, werdet Ihr ihn eben nicht festnehmen«, entgegnete Ta-Kumsaw. »Ihr werdet Pelze mit ihm teilen. Ihr werdet ihn beschützen.«
    »Heißt mich keinen Lügner«, antwortete Harrison.
    »Dann lügt auch nicht«, erwiderte Ta-Kumsaw.
    »Wenn Ihr weiterhin umhergeht und so mit den Weißen redet, Ta-Kumsaw, alter Knabe, dann wird einer eines Tages bestimmt fürchterlich wütend werden und Euch den Kopf wegpusten.«
    »Dann weiß ich, daß Ihr ihn festnehmt. Ich weiß, Ihr werdet Ihn vor Gericht stellen und wegen Gesetzesbruch bestrafen.« Ta-Kumsaw sagte es ohne das leiseste Lächeln, doch Hooch hatte lange genug Handel mit den Roten getrieben, um ihre Art von Humor zu kennen.
    Harrison nickte ernst. Hooch fiel ein, daß Harrison möglicherweise gar nicht erkannt hatte, daß es Ironie gewesen war. Er mochte vielleicht denken, daß Ta-Kumsaw tatsächlich an seine Worte glaubte. Aber nein, Harrison wußte genau, daß er und Ta-Kumsaw einander anlogen; und bei diesem Gedanken fiel Hooch ein, daß es, wenn beide Parteien logen und jeder auch wußte, daß der andere log, fast dasselbe war, wie einander die Wahrheit zu sagen.
    Richtig komisch war nur, daß Jackson das ganze Zeug tatsächlich glaubte. »Das stimmt«, meinte der Rechtsanwalt von Tennizy. »Die Herrschaft des Gesetzes ist es, was die zivilisierten Menschen von den Wilden trennt. Der rote Mann ist einfach noch nicht weit genug entwickelt, und wenn Ihr nicht dem Gesetz des weißen Mannes unterworfen werden wollt, dann müßt Ihr Euch eben anderes behelfen.«
    Zum ersten Mal blickte Ta-Kumsaw einem von ihnen in die Augen. Kalt musterte er Jackson und sagte: »Diese Männer sind Lügner. Sie wissen, was wahr ist, aber sie sagen, daß es nicht wahr sei. Ihr seid kein Lügner. Ihr glaubt, was Ihr sagt.«
    Jackson nickte feierlich. Er sah so eitel und aufrecht aus, daß Hooch der Versuchung nicht widerstehen konnte. Er heizte Jacksons Stuhl ein kleines bißchen auf, gerade genug, daß Jackson ein wenig unruhig wurde. Das nahm ihm etwas von seiner Erhabenheit. Doch Jackson behielt seine Allüren. »Ich glaube, was ich sage, weil ich die Wahrheit spreche.«
    »Ihr sagt, was Ihr glaubt. Aber es ist trotzdem nicht wahr. Wie lautet Euer Name?«
    »Andrew Jackson.«
    Ta-Kumsaw nickte. »Hickory.«
    Jackson wirkte regelrecht überrascht und erfreut darüber, daß Ta-Kumsaw von ihm gehört hatte. »Manche Leute nennen mich so.« Hooch heizte seinen Stuhl noch ein wenig mehr auf.
    »Blue Jacket sagt, Hickory guter Mann.«
    Jackson hatte zwar immer noch keine Ahnung, weshalb ihm sein Stuhl plötzlich so ungemütlich vorkam, aber es war zuviel für ihn. Er schoß in die Höhe, trat vom Stuhl fort, schüttelte mit jedem Schritt die Beine regelrecht aus, um sich abzukühlen. Und dennoch sprach er mit aller nur erdenklichen Würde weiter. »Ich bin froh, daß Blue Jacket das so sieht. Er ist doch Häuptling der Shaw-Nee unten in Tennizy, nicht wahr?«
    »Manchmal«, erwiderte Ta-Kumsaw.
    »Was soll das heißen, manchmal?« wollte Harrison wissen. »Entweder ist er ein Häuptling, oder er ist keiner.«
    »Wenn er gerade spricht, ist der Häuptling«, erklärte Ta-Kumsaw.
    »Nun, ich bin jedenfalls froh zu wissen, daß er mir vertraut«, meinte Jackson. Doch sein Lächeln wirkte etwas matt, weil Hooch emsig damit beschäftigt war, den Boden unter seinen Füßen so heiß zu machen, daß der alte Hickory schon hätte fliegen müssen, um der Hitze zu entkommen. Hooch hatte nicht vor, ihn lange zu quälen. Nur so lange, bis er Jackson ein paar kleine Hopser machen sah und bis er mitansehen konnte, wie er versuchte, zu erklären, weshalb er ausgerechnet hier vor einem jungen Krieger der Shaw-Nee und dem Gouverneur William Henry Harrison einen Tanz vollführte.
    Lolla-Wossiky erwies sich jedoch als Spielverderber, weil er im selben Augenblick vorn überkippte und unter dem Tisch hervorrollte. Er hatte ein idiotisches Grinsen im Gesicht, und seine Augen waren geschlossen. »Blue Jacket!« rief er. Hooch merkte, daß er nun doch ein wenig lallte.
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