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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet
Autoren: Orson Scott Card
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balancierend, mit gekreuzten Beinen in die Sitzstellung. Doch saß er noch immer vor dem Tisch und nicht darunter, worauf Harrison ihn auch hinwies. »Ich hätte gern, daß Ihr unter meinem Tisch sitzt«, sagte der Gouverneur. »Das würde ich als äußerst freundliche Geste ansehen.«
    Also legte Lolla-Wossiky den Kopf fast in den Schoß und rutschte unter den Tisch. Es fiel ihm sehr schwer, in dieser Stellung zu trinken, da er den Kopf nicht aufrichten und schon gar nicht zurücklegen konnte, um den Becher zu leeren. Doch es gelang ihm trotzdem.
    Die ganze Zeit sprach Ta-Kumsaw kein einziges Wort. Er ließ sich nicht einmal anmerken, daß er mit ansah, wie sein Bruder gedemütigt wurde. Oh, dachte Hooch, im Herzen dieses Jungen lodert aber noch das Feuer! Harrison geht ein großes Risiko ein. Und wenn er Lolla-Wossikys Bruder ist, dann muß er doch auch wissen, daß Harrison seinen Vater irgendwann während der Rotenaufstände erschossen hat, als General Wayne gegen die Franzosen kämpfte. So etwas vergißt ein Roter nicht, und jetzt ist Harrison dabei, ihn auf eine gewagte Probe zu stellen.
    »So. Jetzt, da es sich alle gemütlich gemacht haben«, sagte Harrison, »setzt Euch doch und sagt uns, weshalb Ihr gekommen seid, Ta-Kumsaw.«
    Ta-Kumsaw setzte sich nicht. Er schloß die Tür nicht, trat keinen weiteren Schritt ins Zimmer. »Ich spreche für Shaw-Nee, Caska-Skeeaw, Pee-Orawa, Winny-Baygo.«
    »Also Ta-Kumsaw, Ihr wißt doch genau, daß Ihr nicht einmal für alle Shaw-Nee sprecht und für die anderen ganz bestimmt nicht.«
    »Alle Stämme, die General Waynes Vertrag unterschrieben.« Ta-Kumsaw fuhr fort, als hätte Harrison überhaupt nichts gesagt. »Vertrag besagt, Weiße nicht verkaufen Whisky an Rote.«
    »Das stimmt«, erwiderte Harrison. »Und diesen Vertrag halten wir auch ein.«
    Ta-Kumsaw blickte Hooch nicht an, hob aber die Hand und deutete auf ihn. Hooch spürte die Geste, als hätte ihn Ta-Kumsaw mit dem Finger körperlich berührt. Diesmal machte es ihn nicht wütend, es jagte ihm einfach nur Angst ein. Er hatte gehört, daß manche Rote einen derart starken Anziehungszauber besaßen, daß kein Amulett einen davor schützen konnte, und so konnten sie einen ganz allein in die Wälder locken und mit ihren Messern in Stücke schneiden, einfach nur, um einen brüllen zu hören. Daran mußte Hooch denken, als er spürte, wie Ta-Kumsaw voller Haß auf ihn zeigte.
    »Warum zeigt Ihr auf meinen alten Freund Hooch Palmer?« fragte Harrison.
    »Ach, ich schätze, heute mag mich wohl niemand«, warf Hooch ein. Er lachte, konnte aber seine Angst nicht vertreiben.
    »Er bringen Flachboot mit Whisky«, sagte Ta-Kumsaw.
    »Na ja, er hat sehr viele verschiedene Dinge mitgebracht«, erwiderte Harrison. »Aber wenn er Whisky mitgebracht haben sollte, dann geht der natürlich an den Marketender im Fort, und kein einziger Tropfen davon wird an die Roten hier verkauft, da könnt Ihr ganz sicher sein. Wir halten uns an das Abkommen, Ta-Kumsaw, auch wenn Ihr Roten es in letzter Zeit damit nicht allzu genau nehmt. Inzwischen ist es soweit, daß keine Flachboote mehr den Hio herunterkommen, mein Freund, und ich schätze, wenn sich das nicht bald bessert, wird die Armee wohl eingreifen müssen.«
    »Ein Dorf abbrennen?« fragte Ta-Kumsaw. »Unsere Säuglinge erschießen? Unsere Alten? Unsere Frauen?«
    »Wie kommt Ihr denn auf solche Gedanken?« fragte Harrison. Er klang richtig beleidigt, obwohl Hooch genau wußte, daß Ta-Kumsaw nur die gewöhnlichen Methoden der Armee beschrieben hatte.
    Plötzlich ergriff Hooch sogar selbst das Wort.
    »Ihr Roten verbrennt ja auch wehrlose Farmer in ihren Blockhäusern und Pioniere auf ihren Flachbooten, nicht wahr? Dann sagt mir nur, weshalb es euren Dörfern besser ergehen sollte!«
    Ta-Kumsaw würdigte ihn noch immer keines Blickes. »Englisches Gesetz sagt, töte den Mann, der dein Land stiehlt, und du bist nicht böse. Töte einen Mann, um sein Land zu stehlen, dann bist du sehr böse. Wenn wir weiße Farmer töten, sind wir nicht böse. Wenn Ihr rote Menschen tötet, die hier schon tausend Jahre leben, dann seid Ihr sehr böse. Vertrag sagt, bleibt auf der Ostseite des My-Ammy River, aber sie bleiben nicht, und Ihr helft ihnen.«
    »Mr. Palmer war etwas vorlaut«, wandte Harrison ein. »Gleichgültig, was Ihr Wilden unseren Leuten antut, die Männer zu foltern, die Frauen zu vergewaltigen, die Kinder in die Sklaverei entführen – wir führen jedenfalls keinen Krieg gegen
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