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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet
Autoren: Orson Scott Card
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einzige Wert, der darin lag, ein Funke zu sein, war der, daß man aus der Entfernung ein Feuer entfachen konnte. Doch so etwas wollte man immer nur herbeiführen, wenn es um ein schlechtes Feuer ging, das irgend jemandem weh tun, ein Gebäude abfackeln oder irgend etwas in die Luft jagen sollte. Nein, Hooch war kein Narr. Nie erzählte er anderen davon, wie er Dinge erhitzen und in Flammen setzen konnte.
    Doch er hätte es getan. Eher hätte er das Pulver und sich selbst und seine Schiffsjungen und seinen ganzen Branntwein in die Luft gejagt, bevor er zugelassen hätte, daß auch nur ein Roter sich alles durch einen Mord aneignete.
    Es war also ganz gut, daß die Roten den Branntwein so sehr liebten, daß sie kein Risiko eingehen mochten, auch nur den kleinsten Tropfen davon zu vergeuden. Kein Kanu kam ihnen zu nahe, kein Pfeil pfiff vorbei. Hooch und seine Fässer und Bottiche glitten so friedlich über das Wasser, wie man es sich nur wünschen konnte. Direkt bis Carthage, Gouverneur Harrisons hochtrabender Name für ein Staket mit hundert Soldaten, genau an der Stelle, wo der Little My-Ammy River auf den Hio traf. Doch Bill Harrison gehörte zu jener Sorte Menschen, die zuerst den Namen festlegten, um dann hart dafür zu arbeiten, daß der Ort diesen Namen auch verdiente. Und tatsächlich qualmten diesmal bereits an die fünfzig Kamine außerhalb des Stakets, was bedeutete, daß Carthage City schon fast zu einem Dorf geworden war.
    Noch bevor die Anlegestelle in Sicht kam, hörte er ihr Gebrüll – da mußte es Rote geben, die ihr halbes Leben damit verbrachten, am Flußufer herumzusitzen und auf das nächste Branntweinboot zu warten. Und Hooch wußte auch, daß sie diesmal besonders sehnsüchtig warteten, nachdem er gesehen hatte, wie sich neulich in Fort Dekane das Geld von einer Hand in die andere bewegte. Die anderen Branntweinhändler waren also aufgehalten worden, bis das alte Carthage City so trocken sein mußte wie eine Bullenzitze. Und da kam nun Hooch mit seinem Flachboot, das schwerer beladen war als jemals zuvor, und diesmal würde er ordentliches Geld verdienen, soviel war sicher.
    Bill Harrison mochte zwar so eitel sein wie ein Pfau, er mochte sich Allüren zulegen und sich selbst Gouverneur nennen, obwohl ihn niemand dazu gewählt hatte, doch er verstand sein Geschäft. Er hatte seine Jungs in den feschen Uniformen an der Anlegestelle in Reihe aufgebaut, so ordentlich, wie man es sich nur wünschen konnte, mit geladenen Musketen und bereit, die erste Rothaut niederzuschießen, die auch nur einen Schritt in Richtung Ufer machte. Das war keine bloße Formalität – diese Roten sahen äußerst gierig aus, wie Hooch erkannte. Natürlich hüpften sie nicht auf und ab wie die Kinder, sondern standen einfach nur da und sahen zu, ohne sich darum zu scheren, wer sie sehen konnte, bereit zu Kratzfüßen und Verneigungen, zum Flehen und Betteln, bereit zu sagen: »Bitte, Mr. Hooch, ein Faß für dreißig Hirschfelle.« Ach, das würde ihm aber süß in den Ohren klingen! Bitte, Mr. Hooch, nur einen Becher Branntwein für diese zehn Moschusrattenpelze.
    »Whed-haw!« rief Hooch. Die Schifferjungen sahen ihn an, als sei er verrückt geworden, denn sie wußten ja nicht, wie diese Roten einmal ausgesehen hatten, lange bevor Gouverneur Harrison hier seinen Laden aufgezogen hatte, wie sie keinen Weißen Mann eines Blickes gewürdigt hatten und wie man in ihre Zelte hatte hineinkriechen müssen, um darin an Rauch und Dampf beinahe zu ersticken, um dazusitzen und Zeichen zu geben und ihr Kauderwelsch zu sprechen, bis man Erlaubnis zum Handeln erhielt. Damals war es so gewesen, daß die Roten mit Pfeil und Bogen dastanden, und man sich vor Angst beinahe in die Hose machte, sie könnten zu dem Schluß gelangen, daß der eigene Skalp mehr wert war als alle Tauschgüter, die man dabeihatte.
    Jetzt war das nicht mehr so. Nun besaßen sie gemeinsam keine einzige Waffe mehr. Nun hing ihnen vor Gier nach Branntwein die Zunge aus dem Mund. Und bald würden sie trinken und trinken und trinken und trinken und Whed-haw! Noch bevor sie mit dem Trinken aufgehört hatten, würden sie tot umfallen, was ohnehin das beste war. Nur ein toter Roter war ein guter Roter, pflegte Hooch immer zu sagen. Und so, wie er und Bill Harrison den Laden inzwischen im Griff hatten, starben ordentliche Mengen Roter am Branntwein und bezahlten sogar noch für dieses Privileg.
    Daher war Hooch der glücklichste Mensch der Welt, als sie an der
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