Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
nämlich die Macht über das Denken der Leute. Wenn man etwas nur oft genug sagte, rechneten die Leute damit, daß es wahr war, so daß es schon sehr bald wahr würde. Nein, keine Sachen wie: »Heute macht der Mond kehrt und läuft rückwärts über den Himmel«, denn damit so etwas funktionierte, mußte schon der Mond selbst die Worte hören. Aber wenn man Dinge sagte wie ›Das ist ein leichtes Mädchen« oder ›Dieser Mann ist ein Dieb‹, dann spielte es keine große Rolle, ob die betroffene Person einem glaubte oder nicht – dann begannen alle anderen es zu glauben, und dann würden sie sie so behandeln, als wäre es wahr.
    Tatsächlich aber war es Hooch ziemlich gleichgültig, wer nun Gouverneur wurde und seine Stadt zur Hauptstadt machte, ob Harrison oder dieser selbstgerechte Pharisäer Brustwehr Weaver oben im Norden, wo der Tippy-Canoe Creek in den Wobbish River mündete. Sollten die beiden es doch unter sich ausmachen; gleichgültig, wer siegte, Hooch jedenfalls hatte vor, ein reicher Mann zu werden und zu tun, was ihm beliebte. Entweder er bekäme das, was er wollte, oder er würde dafür sorgen, daß der ganze Ort in Flammen aufging. Sollte Hooch jemals völlig in die Knie gezwungen und gebrochen werden, dann sollte jedenfalls kein anderer davon profitieren. Wenn ein Funke keinen Hoffnungsschimmer mehr hatte, gab es immer noch eine Möglichkeit, es den anderen heimzuzahlen, und das war auch so ziemlich das einzig Gute, was Hooch an seinem Dasein als Funke sah.
    Na schön, als Funke sorgte er natürlich auch dafür, daß sein Badewasser immer heiß war, also war die Sache doch nicht ganz umsonst. Jedenfalls war es eine hübsche Abwechslung, den Fluß endlich mal verlassen und wieder ins zivilisierte Leben zurückzukehren. Die Kleider, die man für ihn ausgelegt hatte, waren sauber, und es war ein schönes Gefühl, sich den borstigen Bart aus dem Gesicht zu rasieren. Ganz zu schweigen davon, daß die Squaw, die ihn badete, nur zu begierig auf eine Extraportion Branntwein war; hätte Harrison nicht einen Soldaten nach ihm geschickt, der an die Tür klopfte, um ihn zur Eile aufzufordern, so hätte Hooch vielleicht den ersten Teil ihrer Tauschware gleich in Empfang nehmen können. Statt dessen jedoch trocknete er sich ab und kleidete sich an.
    Harrison hatte nicht nur ein neues Haus gebaut – er hatte zugleich das ganze Fort erheblich vergrößert. Und eine Brustwehr zog sich das ganze Staket entlang. Harrison war bereit für einen Krieg. Das beunruhigte Hooch ziemlich. In Kriegszeiten gedieh das Branntweingeschäft nicht sonderlich. Die Sorte Rote, die Schlachten schlugen, waren nicht jene Sorte Rote, die Branntwein tranken. Von der zweiten Sorte bekam Hooch so viele zu sehen, daß er schon beinahe vergessen hatte, daß es auch die erste gab. Sogar eine Kanone stand hier. Nein, zwei Kanonen. Das gefiel ihm überhaupt nicht.
    Harrisons Office befand sich jedoch nicht in dem Gebäude. Das war ein gänzlich eigener Bau, ein neues Hauptquartier, und Harrisons Office lag an der Südwestecke, wo es sehr hell war. Hooch bemerkte, daß außer dem normalen Kontingent von wachhabenden Soldaten und mit Papierkram beschäftigten Offizieren im Hauptquartier auch einige Rote lagen oder saßen. Das waren Harrisons gezähmte Rote – von denen hielt er sich immer einige in seiner Nähe. Es waren allerdings mehr zahme Rote als üblich, und der einzige, den Hooch erkannte, war Lolla-Wossiky, ein einäugiger Shaw-Nee, der so ziemlich der trunksüchtigste Rote war, der noch nicht gestorben war. Selbst die anderen Roten zogen ihn auf, so schlimm war er, ein richtiger Speichellecker.
    Was die Sache noch komischer machte, war die Tatsache, daß Harrison persönlich Lolla-Wossikys Vater erschossen hatte, vor ungefähr fünfzehn Jahren, als Lolla-Wossiky noch ein kleiner Junge gewesen war. Er hatte daneben gestanden und zugesehen. Manchmal erzählte Harrison diese Geschichte sogar in Lolla-Wossikys Gegenwart, und dann lachte der einäugige Trinker und nickte und grinste und tat; als besäße er überhaupt keinen Verstand.
    Er war so ziemlich der heruntergekommenste, katzbuckelndste Rote, den Hooch je gesehen hatte. Nicht einmal das Verlangen nach Vergeltung für den Tod seines Vaters konnte ihn anstacheln, solange er nur seinen Branntwein bekam. Nein, Hooch war überhaupt nicht überrascht, Lolla-Wossiky direkt vor Harrisons Büro auf dem Boden liegen zu sehen, wo ihm die Tür bei jedem Öffnen voll gegen das Gesäß prallte. Und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher