Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der rote Planet

Titel: Der rote Planet
Autoren: Alexander A. Bogdanow
Vom Netzwerk:
Krankensaal, in dem Leonid lag, und ich gab ihr mit einer
Geste zu verstehen, dass sie hinter den Schirm gehen solle. Ich blieb
in der Nähe am Bett eines anderen Schwerverwundeten, den ich
sowieso
untersuchen musste. Falls es notwendig gewesen wäre, wollte
ich in ihre
Unterhaltung mit Leonid eingreifen.
    Hinter dem Schirm hob sie ein wenig den Schleier. Durch das
Gewebe
des Schirms war ihre Silhouette zu sehen, und ich konnte erkennen, dass
sie sich zu dem Kranken neigte.
    »Eine Maske... «, flüsterte Leonid.
    »Deine Netti!« antwortete sie, und in diesen
beiden Worten, die mit
leiser, melodischer Stimme gesprochen wurden, lag so viel
Zärtlichkeit,
dass mein altes Herz vor schmerzhaft-frohem Mitgefühl erbebte.
    Sie machte eine heftige Handbewegung, als knöpfe sie
den Kragen auf,
schien Hut und Schleier abzulegen und sich noch weiter über
Leonid zu
beugen. Eine Minute lang schwiegen beide.
    »Sterbe ich?« fragte er.
    »Nein, Lenni, das Leben Hegt vor uns. Deine Wunde ist
nicht tödlich und nicht einmal gefährlich.«
    »Und der Mord?« wandte er bange ein.
    »Das war die Krankheit, Lenni. Sei ruhig, dieses
Aufwallen tödlichen
Schmerzes wird nicht zwischen uns stehen, es wird uns auf unserem Wege
zu dem großen gemeinsamen Ziel nicht hinderlich sein. Und wir
erreichen
dieses Ziel, Lenni.«
    Ein leichtes Stöhnen entrang sich Leonids Brust, aber
es war kein
Schmerzen s laut. Ich ging fort, weil ich meinen Kranken schon
untersucht hatte und nicht mehr zu lauschen brauchte. Wenige Minuten
später rief mich die Unbekannte erneut. Sie trug wieder Hut
und
Schleier.
    »Ich nehme Leonid mit«, erklärte
sie. »Er selbst wünscht das, und
bei mir findet er bessere Bedingungen als hier, so dass Sie beruhigt
sein können. Zwei Genossen warten unten, sie werden ihn zu mir
bringen.
Geben Sie ihnen eine Bahre.«
    Warum sollte ich mit ihr streiten: In unserem Lazarett waren
die
Bedingungen tatsächlich nicht die besten. Ich erbat ihre
Adresse — die
Dame wohnte in der Nähe — und beschloss, Leonid am
nächsten Tage zu
besuchen. Zwei Männer kamen und trugen Leonid vorsichtig auf
einer
Trage aus dem Saal.
    ***
    (Postskriptum vom folgenden Tage) Leonid und Netti sind
verschwunden. Eben war ich in ihrer Wohnung: Die Türen sind
nicht
verschlossen, die Zimmer sind leer. In einem großen Raum, in
dem ein
Fenster weit offen stand, fand ich einen an mich adressierten Zettel.
Darauf waren mit zitternder Hand die Worte geschrieben: »Einen
Gruß an
die Genossen. Auf Wiedersehen. Ihr Leonid.«
    Seltsamerweise bin ich keineswegs beunruhigt. Ich bin in
diesen
Tagen tödlich ermüdet, habe viel Blut und viel Leid
gesehen, habe
Bilder des Untergangs und der Zerstörung erblickt, aber meine
Seele ist
immer noch froh und hell.
    Das Schlimmste liegt hinter uns. Der Kampf war lang und
schwer, doch der Sieg ist nahe. Der nächste Kampf wird
leichter sein.
    - Ende -
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher