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Der rote Planet

Titel: Der rote Planet
Autoren: Alexander A. Bogdanow
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Bericht über meinen
Gesundheitszustand schreiben, offensichtlich auf dessen Bitte hin.
Seine Post wurde jeden Morgen in sein Arztzimmer in der Anstalt
gebracht, er musste einen Brief mit einer Anfrage über mich
erhalten
haben.
    Von wem war der Brief? Worum ging es? Ich musste es unbedingt
und
unverzüglich erfahren. Werner zu fragen wäre zwecklos
gewesen — aus
irgendeinem Grunde würde er mir das verheimlichen, sonst
hätte er es
von selbst, ohne jede Frage erzählt. Wusste Wladimir etwas?
Nein, er
schien nichts zu wissen. Ich überlegte, wie ich zur Wahrheit
vordringen
könnte.
    Wladimir war bereit, mir jeden Dienst zu erweisen. Meine
Neugier
hielt er für völlig berechtigt und Werners
Verschlossenheit für
unbegründet. Ohne Bedenken durchsuchte er Werners
Räume im Haus und das
Arztzimmer in der Anstalt, jedoch erfolglos.
    »Entweder trägt er den Brief bei sich, oder
er hat ihn zerrissen und weggeworfen«, schloss Wladimir.
    Ich fragte: »Wohin wirft er gewöhnlich die
zerrissenen Briefe?«
    »In den Papierkorb, der im Arztzimmer unter dem Tisch
steht.«
    »Gut, dann bringen Sie mir alles, was Sie in dem Korb
finden.«
    Wladimir ging und kam bald zurück. »Dort
sind keine Briefe«, teilte
er mir mit, »aber ein Kuvert habe ich gefunden. Dem Stempel
nach ist
der Brief erst heute angekommen.«
    Ich nahm das Kuvert und betrachtete die Adresse. Der
Böden wankte, die Wände stürzten auf mich.
    Nettis Handschrift!

5. Schlussfolgerungen
    Aus dem Wirrwarr von Erinnerungen und Gedanken, der in meiner
Seele
herrschte, als ich sah, dass sich Netti auf der Erde befand und mit mir
treffen wollte, zog ich anfangs nur eine klare Schlussfolgerung. Der
Gedanke kam gleichsam von selbst, ohne jeden logischen Prozess, und er
lag außerhalb jeden Zweifels. Aber ich konnte mich nicht
darauf
beschränken, ihn einfach und möglichst bald zu
verwirklichen. Ich
wollte ihn mir und anderen ausreichend und unmissverständlich
begründen. Besonders lag mir daran, zu verhindern, dass Netti
mich
falsch verstünde und für einen
Gefühlsausbruch hielte, was logische
Notwendigkeit war, was unvermeidlich aus meiner ganzen Geschichte
hervorging.
    Deshalb musste ich vor allem folgerichtig meine Geschichte
erzählen
— den Genossen, mir, Netti... Dieses Manuskript ist die
Frucht dieses
Entschlusses. Werner, der es als erster lesen wird — einen
Tag, nachdem
Wladimir und ich verschwunden sind —, wird dafür
sorgen, dass man es
druckt — natürlich mit allen notwendigen
Veränderungen, welche die
Konspiration gebietet. Das ist meine einzige Bitte an ihn. Ich bedauere
sehr, dass ich ihm zum Abschied nicht die Hand drücken kann.
    Als ich diese Erinnerungen aufzeichnete, erhellte sich die
Vergangenheit, meine Rolle und meine Lage zeichneten sich klar in
meinem Bewusstsein ab. Bei gesundem Verstand und mit sicherem
Gedächtnis kann ich jetzt alle Schlussfolgerungen ziehen.
    Es ist völlig unbestreitbar, dass die Aufgabe, die
mir auferlegt
wurde, meine Kräfte überstieg. Worin liegt die
Ursache für mein
Versagen? Und wie ist der Fehler des klarsichtigen,
großartigen
Psychologen Menni zu erklären, der einen solchen Missgriff
getan hat?
    Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Menni, das in
der glücklichen
Zeit stattfand, als mir Nettis Liebe grenzenloses Vertrauen in meine
Kräfte verlieh. Ich fragte ihn: »Wie sind Sie darauf
gekommen, aus der
Masse der unterschiedlichen Menschen, denen Sie bei Ihrer Suche
begegnet sind, mich als den geeignetsten Vertreter für diese
Mission
auszuwählen?«
    »Die Auswahl war nicht so groß«,
antwortete er. »Wir mussten uns von
vornherein auf Vertreter des wissenschaftlich-revolutionären
Sozialismus beschränken; alle anderen Weltanschauungen stehen
unserer
Welt weit ferner.«
    »Das sehe ich ein. Aber konnten Sie nicht unter den
Proletariern,
der Basis und Hauptkraft unserer Bewegung, leichter jemanden
finden?«
    »Ja, es wäre richtiger gewesen, dort zu
suchen. Aber... den
Proletariern fehlt gewöhnlich etwas, was ich für
unumgänglich halte:
eine allseitige Bildung, die auf der Höhe Ihrer Kultur steht.
Das
brachte mich dazu, unter den Intellektuellen zu suchen.«
    Mennis Pläne waren nicht in Erfüllung
gegangen. Hätte er also
niemanden nehmen sollen, da der Unterschied beider Kulturen
für einen
Einzelmenschen eine unüberbrückbare Kluft bildet, die
nur die
Gesellschaft überwinden kann? Ein solcher
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