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Der rote Planet

Titel: Der rote Planet
Autoren: Alexander A. Bogdanow
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um nicht
aufzuschreien. Meine Hände ergriffen krampfhaft etwas Festes
und
Kaltes. Es war ein schwerer Gegenstand. Der elementare, unbezwingbare
Schmerz wurde zur wütenden Verzweiflung, Ich sprang auf, holte
kräftig
aus und schlug zu. Ein Bein des Stativs traf Sternis Schläfe.
Ohne
einen Schrei, ohne ein Stöhnen neigte sich der leblose
Körper zur
Seite. Ich warf meine Waffe fort, sie schlug klirrend an einen Apparat.
Alles war beendet.
    Ich ging hinaus und sagte dem ersten Mann, dem ich begegnete:
»Ich
habe Sterni getötet.« Er erbleichte und lief ins
Arbeitszimmer, wo er
sich offenbar gleich davon überzeugte, dass Hilfe nicht mehr
nötig war.
Zu mir zurückgekehrt, führte er mich in sein Zimmer,
und nachdem er
einem anderen Gehilfen aufgetragen hatte, einen Arzt zu rufen und
selbst zu Sterni zu gehen, blieb er allein mit mir. Mich anzusprechen,
wagte er nicht.
    Ich fragte ihn: »Ist Enno hier?«
    »Nein, sie ist für einige Tage zu Nella
geflogen.«
    Dann schwiegen wir wieder, bis der Arzt erschien. Er versuchte
gleich, mich über das Geschehene auszufragen; ich sagte, dass
ich nicht
darüber sprechen möchte. Da brachte er mich in die
nächstgelegene
Anstalt für Geisteskranke.
    Dort überließ man mir einen großen
gemütlichen Raum und belästigte mich lange nicht.
Mehr konnte ich mir nicht wünschen.
    Die Lage schien mir klar zu sein. Ich habe Sterni
getötet und damit
alles verdorben, dachte ich. Die Marsmenschen sehen mit eigenen Augen,
was sie von Kontakten mit den Erdenmenschen zu gewärtigen
haben. Selbst
der Mann, den sie für den anpassungsfähigsten
gehalten haben, kann
ihnen nichts als Gewalt und Tod bringen. Sterni ist tot —
seine Idee
wird auferstehen. Die letzte Hoffnung schwindet, die Menschen auf der
Erde werden ausgerottet werden. Und ich bin schuld an allem.
    Diese Gedanken kamen mir bald nach dem Mord, und sie
ließen mich
nicht los. Anfangs spürte ich eine gewisse Befriedigung wegen
ihrer
nüchternen Unanfechtbarkeit. Dann verstärkten sich
wieder Beklemmung
und Schmerz, anscheinend bis ins Grenzenlose.
    Dazu gesellte sich ein tiefer Ekel vor mir selber. Ich
fühlte mich
als Verräter an der ganzen Menschheit. Die verschwommene
Hoffnung
keimte auf, dass die Marsmenschen mich töten würden,
aber sogleich
wurde mir bewusst, dass ich ihnen zu widerwärtig sei und
Verachtung sie
hindern würde, das zu tun. Sie verbargen zwar ihren
Widerwillen, aber
ich spürte ihn deutlich, sosehr sie sich auch verstellten.
    Wie viel Zeit auf diese Weise verstrich, weiß ich
nicht. Schließlich
kam ein Arzt und sagte, ich brauchte eine andere Umgebung und
würde auf
die Erde gebracht. Ich dachte, damit meine er meine bevorstehende
Hinrichtung, aber ich nahm es gefasst auf. Ich bat nur darum, meinen
Körper möglichst weit im Weltraum aus dem Sternschiff
zu werfen, damit
er nicht auf einen Planeten falle und ihn beflecke.
    An den Rückflug kann ich mich nur trübe
erinnern. Bekannte Gesichter
sah ich nicht, gesprochen habe ich mit niemandem. Mein Geist war nicht
verwirrt, aber ich bemerkte fast nichts von meiner Umgebung. Mir war
alles gleichgültig.

Teil IV

1. Bei Werner
    Ich lebte nun in der Anstalt bei Doktor Werner, einem alten
Genossen
von mir. Wie ich dorthin gekommen war, wusste ich nicht. Es war eine
Irrenanstalt in einem nördlichen Gouvernement, ich kannte sie
aus
Werners Briefen. Sie lag einige Werst von der Gouvernementsstadt
entfernt, war jämmerlich eingerichtet und stets schrecklich
überfüllt.
Der Verwalter galt als äußerst durchtrieben, das
unzureichende
medizinische Personal war von Arbeit überanstrengt. Wegen des
Verwalters, wegen fehlender Baracken, die sehr widerstrebend errichtet
wurden, wegen der Kirche, die hingegen mit großen Kosten
ständig
ausgebaut wurde, wegen der Besoldung des Personals und anderer Dinge
führte Doktor Werner einen beharrlichen Krieg mit den sehr
gleichgültigen Behörden. Die Kranken wurden vollends
schwachsinnig,
statt zu genesen, und starben wegen Luft- und Nahrungsmangel an
Tuberkulose. Werner hätte natürlich längst
seine Stellung aufgekündigt,
wenn ihn nicht persönliche Umstände, die mit seiner
revolutionären
Vergangenheit zusammenhingen, zum Bleiben gezwungen hätten.
    Mich berührten die Reize der ländlichen
Heilanstalt in keiner Weise.
Werner war ein Genösse und zögerte nicht, meinetwegen
auf
Bequemlichkeiten zu verzichten. In seiner
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