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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord
Autoren: Ellis Peters
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ihr die Form geben, die Ihr für die beste haltet.«
    Dicht an dicht waren ihre Köpfe über die Theke geneigt. Sie blickte, ob der Nähe etwas erschrocken, in sein Gesicht. Er war auf die Bronzearbeit und die Einlagen konzentriert und bemerkte ihren Blick nicht. Einen anständigen, stillen Mann, so hatte Cadfael ihn genannt, und aus seinem Munde hatte es nicht im geringsten herabsetzend geklungen. Anständige, stille Männer waren das Rückgrat jeder Gemeinde. Man mußte sie mehr achten und höher schätzen als jene, die Unruhe stifteten und Lärm machten. Niall, der Bronzeschmied, war ein Sinnbild für all diese Männer. Er war mittelgroß und in mittlerem Alter, und sogar seine Hautfarbe war mittelbraun. Seine Stimme war angenehm tief und voll. Er mochte, dachte sie, etwa vierzig Jahre alt sein. Als er sich wieder aufrichtete, standen sie einander fast Auge in Auge gegenüber.
    Alles an ihm entsprach dem Bild eines gewöhnlichen, ehrenwerten Mannes, der von seinen Nachbarn kaum zu unterscheiden war. Und doch machte die Summe dieser Teile ganz einfach und eindeutig nur ihn und keinen anderen Mann aus. Er hatte dichte braune Augenbrauen in einem breiten Gesicht, weit auseinanderstehende, strahlend braune Augen. In seinem dichten Haar waren ein paar graue Strähnen, und sein rasiertes Kinn war kantig, ohne dabei angriffslustig zu wirken.
    »Habt Ihr es eilig?« erkundigte er sich. »Ich würde mir gern Mühe damit geben, wenn ich mir zwei oder drei Tage Zeit nehmen darf.«
    »Es hat keine Eile«, erklärte sie sofort. »Ich habe den Gürtel schon so lange herumliegen lassen, da kommt es auf eine weitere Woche auch nicht mehr an.«
    »Soll ich Euch den Gürtel dann in die Stadt hinaufbringen?
    Ich weiß, wo Ihr wohnt, und könnte Euch den Weg ersparen.«
    Er machte sein Angebot höflich, aber zögernd, als könnte sie die höfliche Geste als Annäherungsversuch mißverstehen.
    Sie sah sich mit einem raschen Blick im Laden um und bemerkte sofort, daß er viel Arbeit hatte; mehr als genug für einen arbeitsreichen Tag. »Ich glaube, Ihr seid sehr beschäftigt.
    Wenn ihr einen Laufburschen habt, könnt Ihr ihn schicken. Ich kann den Gürtel aber auch selbst abholen.«
    »Ich arbeite allein«, erklärte Niall. »Aber ich werde ihn Euch gern am Abend in die Stadt bringen, wenn es zum Arbeiten zu dunkel ist. Ich habe um diese Zeit keine anderen Geschäfte.«
    »Lebt Ihr allein hier?« fragte sie, da sie ihre Vermutungen über ihn bestätigt sah. »Habt Ihr keine Frau? Keine Familie?«
    »Meine Frau habe ich vor fünf Jahren verloren. Ich bin an das Alleinsein gewöhnt, es ist nicht schwer, mir meine wenigen Bedürfnisse zu erfüllen. Aber ich habe ein kleines Mädchen.
    Ihre Mutter starb bei der Geburt.« Er sah, wie sich ihr Gesicht plötzlich spannte, er bemerkte den kleinen Funken in ihren Augen, als sie den Kopf hob und sich umsah und halb zu erwarten schien, gleich ein Kind zu sehen. »O nein, sie ist nicht hier! Für ein so kleines Kind hätte ich denn doch nicht sorgen können. Ich habe eine Schwester draußen in Pulley, nicht weit entfernt, die mit Mortimers Aufseher verheiratet ist. Sie hat selbst zwei Jungen und ein Mädchen, das nicht viel älter ist als meines. Meine Kleine ist dort draußen, wo sie in der Obhut einer Frau mit anderen Kindern spielen kann. Ich besuche sie jeden Sonntag und manchmal auch abends unter der Woche.
    Bei Cecily und John und den anderen Kindern ist sie besser aufgehoben als hier mit mir allein, solange sie noch so klein ist.«
    Judith tat einen langen, tiefen Atemzug. Witwer mochte er sein und sein Verlust so bitter wie der ihre, doch ihm war ein unbezahlbares Unterpfand geblieben, ein Kind, das sie nicht hatte. »Ihr wißt gar nicht«, sagte sie plötzlich, »wie ich Euch beneide. Ich habe mein Kind verloren.« Sie hatte nicht so weit gehen wollen, doch es platzte auf einmal aus ihr heraus. Er nahm es gleichmütig auf.
    »Ich hörte von Eurem Kummer. Es tat mir schrecklich leid, denn ich hatte vor nicht allzu langer Zeit dasselbe erlebt. Mir ist wenigstens das Mädchen geblieben, und dafür danke ich Gott.
    Wenn man einen solchen Schmerz erleidet, denn weiß man erst eine solche Gnade zu schätzen.«
    »Ja«, sagte sie und wandte sich rasch ab. »Nun … ich hoffe, Eure Tochter wird gut heranwachsen und Euch immer eine Freude sein.« Sie faßte sich allmählich wieder. »Wenn Euch die Zeit ausreicht, will ich den Gürtel in drei Tagen abholen. Ihr braucht ihn mir nicht zu
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