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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord
Autoren: Ellis Peters
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seinen Dienst, als sie zusammen den großen Hof betraten. Dort trennten sie sich. Sie ging durch die Vorstadt weiter zum großen Haus jenseits der Abteischmiede, wo sie die wenigen Jahre ihres Ehelebens verbracht hatte, er wandte sich zum Waschraum, um vor dem Mittagessen seine Hände zu säubern.
    An der Ecke des Kreuzgangs blieb er stehen und sah ihr nach.
    Er beobachtete sie, bis sie durch den Bogen des Torhauses verschwand. Sie hatte einen Gang, der zu einer Äbtissin gepaßt hätte, doch für Cadfael schien er ebensogut zur Erbin des wichtigsten Tuchmachergeschäfts in der Stadt zu passen.
    Überzeugt, mit seinem Versuch, sie vom Klosterleben abzubringen, das Richtige getan zu haben, ging er ins Refektorium. Mochte sie das Klosterleben im Augenblick auch als Zuflucht sehen, der Tag konnte kommen, an dem sie es als Gefängnis empfinden würde, das sie um so stärker einschränkte, da sie es aus freien Stücken betreten hatte.

2. Kapitel
    Das Haus in der Vorstadt stand in der Nähe des Pferdemarktes, eines grasbewachsenen Dreiecks, wo die Hauptstraße um die Abteimauer bog. Eine niedrige Mauer auf der anderen Straßenseite umfriedete den Hof, in dem Niall, der Bronzeschmied, sein Geschäft und seine Werkstatt betrieb.
    Dahinter lag das schöne Wohnhaus mit seinem großen Garten und einem kleinen Stück Grasland dahinter. Niall betrieb einen schwunghaften Handel mit Broschen und Knöpfen, kleinen Gewichten und Anstecknadeln, metallenen Kochtöpfen, Wasserkannen und Tellern. Er bezahlte der Abtei eine angemessene Pacht für Haus und Land. Hin und wieder bekam er auch den Auftrag, eine Glocke zu gießen, doch dies geschah recht selten; dazu mußte er in dem betreffenden Gebäude selbst arbeiten, denn nach dem Guß konnten die schweren Glocken nicht mehr weit transportiert werden.
    Der Schmied arbeitete in einer Ecke seines Ladens, als Judith vor die Theke trat. Mit Körner und Schlegel hämmerte er einen Schmuckrand aus Blättern um einen dünnen Metallteller.
    Aus dem offenen Fenster über dem Arbeitstisch fiel weiches Licht schräg auf ihr Gesicht, und nachdem Niall sich umgedreht hatte, um zu sehen, wer eingetreten war, hielt er einen Moment inne, bevor er die Werkzeuge ablegte, und kam, um sie zu bedienen. »Zu Diensten, Madam! Was kann ich für Euch tun?«
    Sie kannten sich kaum, sie waren Geschäftsinhaber und Kundin, doch da er in dem Haus arbeitete, das sie der Abtei überlassen hatte, musterten sie einander mit besonderer Aufmerksamkeit. In den Jahren, die er jetzt hier lebte, hatte sie sein Geschäft vielleicht fünfmal betreten.
    Er hatte ihr Anstecknadeln, Stäbe für Mieder, kleine Küchenutensilien und den Stempel für das Siegel der Vestiers verkauft. Anläßlich der Schenkung des Hauses hatte er ihre Geschichte erfahren; sie aber wußte wenig über ihn, außer der Tatsache, daß er als Pächter der Abtei ihren ehemaligen Besitz übernommen hatte und daß der Mann in Stadt wie in Vorstadt als guter Handwerker galt.
    Judith legte ihren beschädigten Gürtel auf die lange Theke.
    Es war ein Streifen aus gutem, weichem Leder. Die Gürtellöcher waren mit kleinen Bronzerosetten verstärkt, und das Ende des Gürtels wurde durch einen Bronzebeschlag geschützt. Die hellen Emaileinlagen in den Verzierungen waren sauber und blank, doch am anderen Ende war eine Naht ausgefranst, und die Schnalle fehlte.
    »Ich habe sie irgendwo in der Stadt verloren«, erklärte sie.
    »Es war eines Abends nach Einbruch der Dunkelheit, und unter meinem Mantel bemerkte ich gar nicht, daß der Gürtel sich gelöst hatte und verschwunden war. Als ich zurückging und ihn suchte, fand ich nur den Gürtel, die Schnalle war fort. Die Straße war schlammig, in der Gosse lief das Tauwasser. Es war meine eigene Schuld. Ich wußte ja, daß er ausgefranst war.
    Ich hätte ihn vorher festnähen müssen.«
    »Eine schöne Arbeit«, erwiderte der Schmied, während er interessiert das unbeschädigte Ende des Gürtels befingerte.
    »Ihr habt ihn sicher nicht hier gekauft?«
    »Doch, aber auf dem Jahrmarkt der Abtei von einem flämischen Händler. Früher habe ich ihn oft getragen«, erklärte sie. »Aber seit dem Winter, als ich die Schnalle verlor, hat er nur herumgelegen. Könnt Ihr mir eine neue Schnalle machen, die in Farbe und Aussehen zum Gürtel paßt? Sie war lang und schmal – etwa so!« Sie zeichnete den Umriß mit der Fingerspitze auf der Theke nach. »Aber sie muß nicht ganz genauso aussehen. Ihr könnt sie auch oval machen oder
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