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Der Roman eines Konträrsexuellen

Der Roman eines Konträrsexuellen

Titel: Der Roman eines Konträrsexuellen
Autoren: Emile Zola
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der Welt vor. Die letzteren sind mir verhaßt. Ich mache eine Ausnahme bei einigen der ersteren, wenn sie sehr schön und muskulös sind, was oft vorkommt. Wäre ich eine schöne Dame, hätte ich wohl gern einige von ihnen ausprobiert – wohlverstanden, um sie danach fortzuschicken.
    Das Wort Frau erweckt in mir nur Gedanken an Luxus, wappengeschmückte Wagen, Seide und Samt, an weiße und duftende Haut, vollkommene Hände und leichte Sitten. Eine Frau, die zu Fuß geht, erscheint mir erniedrigt und gesunken, und die Frauen aus dem Volke sind für mich etwas Schreckliches, selbst wenn sie schön aussehen.
    Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß ich – obwohl für alles gleichgültig – im Innersten Royalist bin und Könige und Königinnen mir aus einem anderen Material gemacht zu sein scheinen als die übrigen Menschen.
    Obwohl nicht überzeugter Katholik und ungläubig, liebe ich den Pomp der Kirche und bin stolz, ihr anzugehören. Ich liebe die reichen Kirchen – namentlich die der Jesuiten mit ihrem Goldschmuck und vielfarbigem Marmor –, auch liebe ich die pomphaften religiösen Zeremonien, die etwas Unbekanntes und Geheimnisvolles in mir erzittern lassen.
    Ich habe einen Abscheu vor der Republik und glaube stets – Sie lachen vielleicht –, sie mit schmutzigen und zerlumpten Wesen bevölkert zu sehen.
    Ich fühle mich nur in sehr reichen, prächtig ausgestatteten Gemächern wohl – ein Geschmack, den mein Vater mit mir teilt. Er hat wahre Schätze für Kunstgegenstände ausgegeben, besonders für Chinoiserien und für große, prächtige japanische Objekte. Die Zimmerfluchten, in denen sich der Blick in Samt und Spiegeln verliert, entzücken mich. Ich schwärme für Treibhäuser und überheizte Stuben, in denen ich gern im wachen Zustand träume, um geheimnisvolle und sinnliche Bilder heraufzubeschwören.
    Stets bin ich eitel gewesen, und ein wahrer Freudenschauer erfaßt mich, wenn ich in unserer Equipage durch das Gitter unseres Gartens fahre und die Leute stehen bleiben, um mir nachzusehen. Ich liebe es, bewundert zu werden, und bin stolz auf meine Schönheit, die ich, soviel es geht, ins rechte Licht zu stellen suche. Ich habe in mir stets Ähnlichkeit entdeckt mit den Büsten der Madame Dubarry – einer als Junge verkleideten Dubarry mit kurzgeschnittenen Haaren. Oft hat man sich über meine Ähnlichkeit mit einer Frau gewundert, und wenn mich das auch manchmal langweilte, fühlte ich mich doch meistens von diesen neugierigen und überraschten Blicken geschmeichelt. Eines Abends vor einer Reihe von Jahren habe ich auf der Rollschuhbahn in Paris Aufsehen erregt. Mehrere Damen glaubten an eine Verkleidung und gaben unzweideutige Beweise ihrer Überraschung; ich war davon entzückt.
    In der Malerei ziehe ich die Genrebilder allen anderen vor, besonders wenn sie reiche und moderne Interieurs darstellen. Ich habe übrigens einen wahren Fanatismus für den großen Makart, dessen sinnliche und aufregende Werke mich entzücken. Mein Lieblingsbild ist sein »Tod der Kleopatra«, eine Szene, die ich stets voll Neid bewundert habe.
    Zu meinem Charakter gehört eine gewisse Grausamkeit; ich liebe das Leiden eines anderen, besonders wenn ich es verursache. In meiner Kindheit quälte ich oft absichtlich Tiere; ich ging mit dem größten Raffinement zu Werke und empfand dabei selbst einen heftigen Schmerz, der mir gefiel und mich zugleich verzehrte.
    Ich bin stets ziemlich anspruchsvoll gewesen, und in der Zeit, als die Geschäfte meines Vaters schlecht gingen, war mir der Mangel an Luxus ganz entsetzlich. Der Luxus ist für mich ein wahres Bedürfnis, ich könnte nicht mit weniger leben. Ich hasse, was gewöhnlich, alltäglich ist, und bewundere in allem das Außerordentliche, das Unmögliche.
    Oft habe ich bei Abwesenheit meiner Eltern den ganzen Tag geschlafen. Ich ließ die ganze Wohnung beleuchten und war nachts auf, las und aß im griechischen Gewande, nachdem ich warme, parfümierte Bäder genommen hatte.
    Ich male sehr hübsch, besonders Aquarell, und arbeite für die Alben und Fächer der Damen.
    Ich bin verschlagen und tückisch und gleichzeitig von zuweilen wahrhaft kindischem Einfallsreichtum. Alle, die mit mir in Berührung kommen, beten mich an, und niemand hat meinem Zauber widerstanden. Ich habe stets die Gefühle der Leute angesprochen, und es ist mir immer gelungen, sie das tun zu lassen, was ich wollte, während andere, die mit dem Verstande zu Werke gingen, nichts erreichten. Ich habe oft
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