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Der Roman eines Konträrsexuellen

Der Roman eines Konträrsexuellen

Titel: Der Roman eines Konträrsexuellen
Autoren: Emile Zola
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Gesicht, ohne eine Miene zu verziehen. In diesen Augenblicken ist er mir verhaßt. Wenn wir aber gleichzeitig den Samen ergießen, erfüllt mich eine wahre Freude, und an diesen Tagen liebe ich ihn heftig, gebe mich mit Körper und Seele hin, mache alles, um ihm zu gefallen. Einen großen Schmerz bedeutet es für mich, daß ich seinen Samen nicht in meinem Körper aufnehmen kann, was für mich das Höchste wäre. Dieses Verlangen spüre ich ganz heftig in mir und wünsche mir dann glühend, eine Frau zu sein.
    Nachdem ich ihm das erste und noch mehrere Male widerstanden hatte, hat er fast darauf verzichtet, mich ganz zu besitzen, wie er es sich wünschte und wie ich es selbst ohne den gräßlichen Schmerz gewünscht hätte, den ich bei diesen Versuchen empfunden hatte, die wegen der ausnehmenden Zartheit meines Körpers zu nichts geführt haben.
    Um ihm angenehm zu sein, würde ich wohl ein wenig leiden, doch wenn ich soweit bin – wir haben es drei- oder viermal versucht –, fühle ich nur den Schmerz, und trotz seiner Bemühungen und glühenden Bitten muß ich es abschlagen.
    Sie werden vielleicht überrascht sein, daß ich Ihnen mit soviel Leidenschaft von einem Manne spreche, der nicht mehr jung ist, wenn er auch mehrere junge Leute aufwiegt. Ich habe Ihnen von meiner anderen Leidenschaft, die weit stärker war, nicht soviel erzählt. Der Grund ist der, daß der andere nicht mehr am Leben ist und die Sache vier Jahre zurückliegt, während ich noch immer in der Gegenwart lebe und mich ihrer so häufig erfreue. Und dann war ich bei dem anderen verhältnismäßig zurückhaltender, weil ich ihn mehr liebte, und habe nie das getan oder ihn tun lassen, was der Hauptmann mich gelehrt hat und ausführt, und zwar manchmal in recht brutaler Weise, die mich im geheimen entzückt und mich zu allem gefügig macht, was er will. Ich fühle mich so klein neben ihm.
    In der Beichte, die ich Ihnen geschrieben und die zu hören ich Sie gewählt habe – wegen meiner Bewunderung für Sie und in der Hoffnung, daß sie Ihnen zu irgendetwas nützlich sein kann –, wollte ich Ihnen nicht von der köstlichen Ausschweifung sprechen, der ich mich mit diesem Manne überlasse. Ich hatte beschlossen, Ihnen nur von jener zarteren Beziehung zu sprechen, die ich im Regiment pflegte, doch in meinem Eifer habe ich nicht dem Verlangen widerstehen können, diese lustvollen Szenen heraufzubeschwören, die ich mit ungeheurem Vergnügen und Verlangen kommen sehe, obwohl ich mich danach oft traurig und gelangweilt fühle.
    Die einzige Person, die vielleicht eine wahre Liebe für mich gehabt hat, war der junge Spanier, mit dem ich vielleicht ein Dutzend Mal zusammengewesen bin und der mich bis zum Wahnsinn liebte, während ich nur sehr kühl zu ihm war. Ich fand an ihm eine zu große Ähnlichkeit mit mir selbst. Er war jungfräulich wie ich – obwohl er es nicht zugeben wollte, verriet er es in allen seinen Reden –, und der Mann zog auch ihn mächtig an. Er war zart und nicht schön, obwohl er prächtige, braungrüne Augen hatte, die wie kostbarer Marmor schimmerten.
    Einmal hat er mir erzählt, daß er in der Zeit, als er mir folgte, ohne mich zu kennen – das hat mehrere Monate gedauert –, und mich einmal vierzehn Tage nicht sah (ich war damals in Palermo), lange Zeit geweint habe, weil er glaubte, ich sei krank oder tot. Er bewahrte auch ein Oleanderblatt, das ich gepflückt, in das ich hineingebissen und dann zur Erde geworfen hatte, ohne weiter darauf acht zu geben. Er bewahrte es wie eine Reliquie und hat es mir in einem Rahmen unter Glas gezeigt.
    Ich habe stets über ihn gespottet und im Innersten ist er mir stets sehr unsympathisch gewesen, wenn ich ihn auch manchmal befriedigen wollte. Ich habe seitdem Angst, jemandem dasselbe Gefühl einzuflößen, und das hat mich geschützt und meine Bereitschaft, mich auf den ersten Blick zu begeistern, gezügelt. Ich bin auch seitdem in Gesellschaft in dem Verhalten meinem Geliebten gegenüber sehr zurückhaltend gewesen, gestatte ihm keine Vertraulichkeit und behandle ihn als mir vollkommen gleichgültiges Wesen. Selbst bei unseren Stelldicheins und in unseren Reden bin ich so und überlasse mich ihm vollständig nur in seiner verschlossenen Wohnung und im Halbdunkel des Zimmers.
    Früher war ich nicht so zurückhaltend, doch die Gesellschaft hat mich gelehrt, wie man sich in solch seltsamen und außergewöhnlichen Situationen benehmen muß. Wenn man von ihm spricht, schweige ich oder spreche
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