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Der Riesenmaulwurf

Der Riesenmaulwurf

Titel: Der Riesenmaulwurf
Autoren: Franz Kafka
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glauben wir
    zum Beispiel, es handle sich um die Entdeckung, aber unterdessen
    handelt es sich um ganz andere Dinge, und ein nächstes Mal glau-
    ben wir, es handle sich um anderes, nicht um die Entdeckung, nun
    handelt es sich aber gerade um sie.
    Versteht Ihr das? Ihr wäret im Dorf geblieben, hättet mit dem
    erhaltenen Geld Euere Familie ein wenig besser ernähren und
    kleiden dürfen, aber Eure Entdeckung wäre Euch entzogen ge-
    wesen, ohne daß Ihr Euch mit irgendwelcher Berechtigung da-
    gegen hättet wehren können, denn erst in der Stadt kam sie zu
    ihrer wirklichen Geltung. Und man wäre vielleicht gegen Euch
    gar nicht undankbar gewesen, man hätte etwa über der Stelle, wo
    die Entdeckung gemacht worden ist, ein kleines Museum bauen
    lassen, es wäre eine Sehenswürdigkeit des Dorfes geworden, Ihr
    wäret der Schlüsselbewahrer gewesen und, um es auch an äußeren
    Ehrenzeichen nicht fehlen zu lassen, hätte man Euch eine kleine,
    an der Brust zu tragende Medaille verliehen, wie sie die Diener
    der wissenschaftlichen Institute zu tragen pflegen. Das alles wäre
    möglich gewesen; war es aber das, was Ihr wolltet?«
    Ohne sich mit einer Antwort aufzuhalten, wandte er ganz richtig
    ein: »Und das suchtet Ihr also für mich zu erreichen?«
    »Vielleicht«, sagte ich, »ich habe damals nicht so sehr aus
    Überlegungen gehandelt, als daß ich Euch jetzt bestimmt antwor-
    ten könnte. Ich wollte Euch helfen, es ist aber mißlungen und ist
    sogar das Mißlungenste, was ich jemals getan habe. Darum will
    ich jetzt davon zurücktreten und es ungeschehen machen, soweit
    meine Kräfte reichen.«
    »Nun gut«, sagte der Dorfschullehrer, nahm seine Pfeife heraus
    und begann, sie mit dem Tabak zu stopfen, den er lose in allen
    Taschen mit sich trug. »Ihr habt Euch freiwillig der undankbaren
    Sache angenommen und tretet jetzt auch freiwillig zurück. Es ist
    alles ganz richtig!« »Ich bin nicht starrköpfig«, sagte ich. »Findet
    Ihr an meinem Vorschlag vielleicht etwas auszusetzen?« »Nein,
    gar nichts«, sagte der Dorfschullehrer, und seine Pfeife dampfte
    schon. Ich vertrug den Geruch seines Tabaks nicht und stand des-
    halb auf und ging im Zimmer herum. Ich war es schon von frü-
    heren Besprechungen her gewöhnt, daß der Dorfschullehrer mir
    gegenüber sehr schweigsam war und sich doch, wenn er einmal
    gekommen war, aus meinem Zimmer nicht fortrühren wollte. Es
    hatte mich schon manchmal sehr befremdet; er will noch etwas
    von mir, hatte ich dann immer gedacht und ihm Geld angeboten,
    das er auch regelmäßig annahm. Aber weggegangen war er immer
    erst dann, wenn es ihm beliebte. Gewöhnlich war dann die Pfeife
    ausgeraucht, er schwenkte sich um den Sessel herum, den er or-
    dentlich und respektvoll an den Tisch rückte, griff nach seinem
    Knotenstock in der Erde, drückte mir eifrig die Hand und ging.
    Heute aber war mir sein schweigsames Dasitzen geradezu lästig.
    Wenn man einmal jemandem den endgültigen Abschied anbietet,
    wie ich es getan hatte, und dies vom andern als ganz richtig be-
    trachtet wird, dann führt man doch das wenige noch gemeinsam
    zu Erledigende möglichst schnell zu Ende und bürdet dem anderen
    nicht zwecklos seine stumme Gegenwart auf. Wenn man den klei-
    nen zähen Alten von rückwärts ansah, wie er an meinem Tische
    saß, konnte man glauben, es werde überhaupt nicht möglich sein,
    ihn aus dem Zimmer hinauszubefördern. –
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