Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Riesenmaulwurf

Der Riesenmaulwurf

Titel: Der Riesenmaulwurf
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
Jahre‹, sagte ich zu ihr, ›kämpfen wir allein, jetzt
    aber scheint in der Stadt ein hoher Gönner für uns einzutreten,
    ein städtischer Kaufmann, namens Soundso. Jetzt sollten wir uns
    doch sehr freuen, nicht? Ein Kaufmann in der Stadt bedeutet nicht
    wenig; wenn ein lumpiger Bauer uns glaubt und es ausspricht, so
    kann uns das nichts helfen, denn was ein Bauer macht, ist immer
    unanständig, ob er nun sagt: Der alte Dorfschullehrer hat recht,
    oder ob er etwa unpassenderweise ausspuckt, beides ist in der
    Wirkung einander gleich. Und stehen statt des einen Bauern zehn-
    tausend Bauern auf, so ist die Wirkung womöglich noch schlechter.
    Ein Kaufmann in der Stadt ist dagegen etwas anderes, ein solcher
    Mann hat Verbindungen, selbst das, was er nur nebenbei sagt,
    spricht sich in weiteren Kreisen herum, neue Gönner nehmen sich
    der Sache an, einer sagt zum Beispiel: Auch von Dorfschullehrern
    kann man lernen, und am nächsten Tag flüstern es sich schon eine
    Menge von Leuten zu, von denen man es, nach ihrem Äußeren zu
    schließen, niemals annehmen würde. Jetzt finden sich Geldmittel
    für die Sache, einer sammelt und die anderen zahlen ihm das Geld
    in die Hand, man meint, der Dorfschullehrer müsse aus dem Dorf
    hervorgeholt werden, man kommt, kümmert sich nicht um sein
    Aussehen, nimmt ihn in die Mitte und, da sich die Frau und die
    Kinder an ihn hängen, nimmt man auch sie mit. Hast du schon
    Leute aus der Stadt beobachtet? Das zwitschert unaufhörlich. Ist
    eine Reihe von ihnen beisammen, so geht das Zwitschern von
    rechts nach links und wieder zurück und auf und ab. Und so he-
    ben sie uns zwitschernd in den Wagen, man hat kaum Zeit, allen
    zuzunicken. Der Herr auf dem Kutschbock rückt seinen Zwicker
    zurecht, schwingt die Peitsche und wir fahren. Alle winken zum
    Abschied dem Dorfe zu, so als ob wir noch dort wären und nicht
    mitten unter ihnen säßen. Aus der Stadt kommen einige Wagen
    mit besonders Ungeduldigen uns entgegen. Wie wir uns nähern,
    stehen sie von ihren Sitzen auf und strecken sich, um uns zu sehen.
    Der, welcher Geld gesammelt hat, ordnet alles und ermahnt zur
    Ruhe. Es ist schon eine große Wagenreihe, wie wir in der Stadt
    einfahren. Wir haben geglaubt, daß die Begrüßung schon vorüber
    ist, aber nun vor dem Gasthof beginnt sie erst. In der Stadt sam-
    meln sich eben auf einen Aufruf gleich sehr viele Leute an. Worum
    sich der eine kümmert, kümmert sich gleich auch der andere. Sie
    nehmen einander mit ihrem Atem die Meinungen weg und eignen
    sich sie an. Nicht alle diese Leute können mit dem Wagen fahren,
    sie warten vor dem Gasthof, andere könnten zwar fahren, aber sie
    tun es aus Selbstbewußtsein nicht. Auch diese warten. Es ist unbe-
    greiflich, wie der, welcher Geld gesammelt hat, den Überblick über
    alles behält‹.«
    Ich hatte ihm ruhig zugehört; ja, ich war während der Rede im-
    mer ruhiger geworden. Auf dem Tisch hatte ich alle Exemplare
    meiner Schrift, so viele ich ihrer noch besaß, aufgehäuft. Es fehl-
    ten nur sehr wenige, denn ich hatte in der letzten Zeit durch ein
    Rundschreiben alle ausgeschickten Exemplare zurückgefordert und
    hatte auch die meisten erhalten. Von vielen Seiten war mir übrigens
    sehr höflich geschrieben worden, daß man sich gar nicht erinne-
    re, eine solche Schrift erhalten zu haben und daß man sie, wenn
    sie etwa doch gekommen sein sollte, bedauerlicherweise verloren
    haben müsse. Auch so war es richtig, ich wollte im Grunde nichts
    anderes. Nur einer bat mich, die Schrift als Kuriosum behalten zu
    dürfen, und verpflichtete sich, sie im Sinne meines Rundschreibens
    während der nächsten zwanzig Jahre niemandem zu zeigen. Dieses
    Rundschreiben hatte der Dorfschullehrer noch gar nicht gesehen.
    Ich freute mich, daß seine Worte es mir leicht machten, es ihm zu
    zeigen. Ich konnte dies aber auch sonst ohne Sorge tun, weil ich bei
    der Abfassung sehr vorsichtig vorgegangen war und das Interesse
    des Dorfschullehrers und seiner Sache niemals außer acht gelassen
    hatte. Die Hauptsätze des Schreibens lauteten nämlich: »Ich bitte
    nicht deshalb um Rückgabe der Schrift, weil ich etwa von den in
    der Schrift vertretenen Meinungen abgekommen bin oder sie viel-
    leicht in einzelnen Teilen als irrig oder auch nur als unbeweisbar
    ansehen würde. Meine Bitte hat lediglich persönliche, allerdings
    sehr zwingende Gründe; auf meine Stellung zur Sache läßt sie
    jedoch nicht die allergeringsten Rückschlüsse zu. Ich bitte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher