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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
Autoren: Ulrich Wickert
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sosehr er die Unterlagen von Freddy Bonfort durchforschte, er fand nichts, das ihn auf die Spur des Mörders geführt hätte.
    Für Montag früh hatte er einen Platz im TGV zurück nach Paris gebucht; am Sonntagabend wollte ihn sein Freund, Richter Claude, zur Feier der wiedergefundenen Freundschaft in ein kleines, feines Landgasthaus führen, das - westlich der Säone -zwischen den Weinbergen auf den Hügeln des Beaujolais liegt.
    Bei einem saftigen Bresse-Huhn in Salzkruste fragte Jacques dann wie nebenbei: »Bonfort hat in einem Satz angedeutet, er habe in Hanoi eine vietnamesische Tänzerin geheiratet. Ist von der noch irgendwann die Rede gewesen?«
    »Das weißt du nicht? Das war lange Stadtgespräch in Lyon. Sie ist Bonfort nachgereist, aber schon zwei Wochen nach ihrer Ankunft in Lyon hat sie das Bett gewechselt.«
    »Wie das?«
    »Sie hat Bonforts Freund und wissenschaftlichen Gönner, den Professor Thierry Poulet, geheiratet.«
    »Das Hühnchen?«
    »Ja! Die Lyoneser Gerüchteküche behauptet, Poulet und die Vietnamesin seien schon in Hanoi ein Paar gewesen. Sie hätten Bonfort nur für ihre Zwecke benutzt. Allein hätte sie nämlich nie aus Vietnam ausreisen dürfen. Aber indem er Bonfort an die Universität in Lyon holte, ermöglichte Poulet es seiner vietnamesischen Freundin, auch hierher zu kommen.«
    »Deswegen steht auch nichts über sie in den Unterlagen. Vielleicht sollte ich sie anhören. Weißt du, wie ich sie erreichen kann?«
    »Sie ist vor ein paar Jahren gestorben.«
Einstellung des Verfahrens
    Mit ihren warmen Lippen küsste Margaux ihn auf den Mund und sagte: »Glückwunsch!«
    Jacques antwortete: »Gut, dass kein Paparazzo das gesehen hat!«
    Und dann fragte er sich, a) - weshalb sie ihn geküsst hatte und b) - weshalb sie gekommen war.
    Die Klingel an seiner Wohnungstür hatte nur einmal die Leitmelodie aus Beethovens Fünfter gespielt, dadada daaa, in Anlehnung an das Morsezeichen für V, das die BBC im Zweiten Weltkrieg als Symbol für Victory ausgesendet hatte, da hatte sich auch schon der Schlüssel im Schloss gedreht und Margaux war eingetreten.
    »Ich hab' ja deinen Schlüssel noch - und wollte meine Sachen abholen. Ich ahnte nicht, dass du zu Hause sein würdest. Wird heute Abend nicht gefeiert?«
    »Nur weil der Hohe Rat das Verfahren gegen mich eingestellt hat? Sie haben mir geglaubt, dass Amadees Kuss eine für mich überraschende Gemütsregung einer überdrehten Witwe war und nicht mehr! Und schon gar nicht, was du daraus gemacht hast.« Er lachte. »Möchtest du etwas trinken?«
    Wie verlogen man doch sein kann, dachte Jacques, und erinnerte sich, wie schon so oft in den letzten Tagen, an Amadees Zärtlichkeit. Aber es war ja nur eine Notlüge, die niemandem wehtat, beruhigte er sich.
    »Bist du schon beim Whisky?« Margaux wollte offensichtlich nicht so schnell wieder gehen.
    »Nein. Ich bin auch gerade erst nach Hause gekommen. Ein paar Kollegen und ich haben in einem Bistro gegenüber vom
    Gericht das Glas auf die Unabhängigkeit der Justiz erhoben. Und ich habe eben erst den Korken aus der Flasche gezogen. Ich war letztes Wochenende zu Recherchen in Lyon und habe von einem kleinen Ausflug ins Beaujolais ein paar Flaschen mitgebracht. Ein leichter, angenehmer Wein.«
    »Könnte ich auch ein Glas davon haben?«, fragte sie und setzte sich auf die Couch.
    Und während er in der Küche zwei seiner schönen, alten Kristallgläser aus dem Schrank holte, überlegte er, weshalb Margaux so spät, es war immerhin schon halb elf, noch bei ihm vorbeigekommen war. Er kannte sie als eine Person, die wusste, was sie tat, und die auch gewusst hatte, dass er zu Hause war; ein Blick von unten auf die Fenster seiner Wohnung genügte, um zu sehen, dass seine Lampen leuchteten. Und dann der Kuss. Er hatte ihn nicht als unangenehm empfunden. Jacques fühlte sich wohl.
    Bis Mittwochnachmittag war seine Anspannung immer weiter gestiegen, er hatte mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Das politische Feuerwerk hatte seit Montag wieder an Stärke zugenommen. Die Generalsekretärin der LER hatte in einem polemischen Ton seine Amtsenthebung gefordert, ihn »Bruder Leichtfuss« genannt, der Witwen von Mördern hinterherlaufe und, geblendet durch die Überproduktion von Körpersäften, den Staatspräsidenten wie einen dahergelaufenen Strauchdieb behandele. Dieser Richter zeige keinen Respekt vor den Institutionen der Republik.
    Danach hatte ihn die Gerichtspräsidentin auf dem Flur nur kurz gegrüßt, und
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