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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman
Autoren: Aufbau
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erkundigt sich, wie es in der Schule war, aber man sieht, dass es ihr schwerfällt. Ich mache ihr keinen Vorwurf, im Grunde geht es mir nicht anders.
    Jetzt, wo du nicht mehr da bist, erscheint alles, was ich früher gemacht habe, völlig sinnentleert, wie eine auswendig gelernte Rolle, die keine Improvisationen mehr zulässt.
    Es tut weh, Nonna so zu sehen, ich fühle mich noch schutzloser und einsamer. Dass sie mich hat, macht die Sache nicht besser. Eine Tochter lässt sich nicht ersetzen, und auch wenn sie mich von Herzen liebt, ist es nicht dasselbe. Manchmal habe ich die Vision, sie hockt nach einer riesigen Überschwemmung auf einem Hausdach, ohne den Wunsch, gerettet zu werden, und voller Groll, überlebt zu haben, weil Wasser und Schlamm alles fortgerissen haben, was sie liebte. Sie macht mich so verdammt traurig, und diese Traurigkeit lässt sich nicht in etwas anderes, Gelinderes, Leichteres verwandeln, sie ist einfach nur starr und bleiern wie Stein. Ich würde ihr so gern helfen, aber weil ich es nicht hinkriege, wende ich den Blick ab. In ihrerAngst spiegelt sich die meine, und ich will sie nicht sehen, will nicht in diesen verzauberten Spiegel stürzen. Also tun wir so, als wäre nichts, streichen an den Wänden unserer Einsamkeiten entlang und vermeiden es, einander anzusehen.
    Du hast immer gesagt, Nonna und ich seien uns ähnlich. Die Prinzessinnen Sauertopf. So hast du uns genannt, wenn du nach Hause kamst und jede von uns in einer Ecke hockte und ihren Gedanken nachhing. Immer warst du diejenige, die die Schatten vertrieb und das Schweigen brach. Ich höre noch, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht und du hereinkommst: Du stelltest die Tasche ab, machtest die Türen auf, fülltest die Räume mit deiner Stimme, nahmst Gesprächsfäden wieder auf, ließest Worte auf Worte treffen, zogst dir die Schuhe aus, hocktest dich aufs Sofa, als wolltest du deine und unsere Gedanken sammeln, und sahst uns an.
    Dann fanden wir uns in deinen Augen, Nonna und ich, und uns ging auf, wie ähnlich wir uns waren.

16. November
    Seit es vor ein paar Tagen kalt geworden ist, gehe ich nicht mehr so oft ins Schwimmbad. Wenn ich nichts zu tun habe wie heute, setze ich mich auf meinen Motorroller und fahre ans Meer, einfach so, allein, Wind in den Haaren, Sand zwischen den Zähnen und dieser Geruch, diese Farben, die mich trösten.
    Von der Stadt bis zum Strand sind es rund drei Kilometer. Eine lange, von Seekiefern gesäumte Straße zieht sich durch den Park, und als ich ungefähr auf halber Strecke bin, fängt der Roller an zu schlingern, das Hinterrad macht Zicken. Auch das noch, ein Platter. Sofort kriege ich Schiss. Es wird schon dunkel, um diese Tageszeit sind im Park garantiert keine Pfadfinder mehr unterwegs. Viele Autos sind auch nicht zu sehen, und die, die vorbeikommen, bremsen ab und lassen mir das Herz bis zum Hals schlagen. Ganz langsam und ohne mich umzublicken, tuckere ich weiter auf meinem lahmen Blechgaul. Zwei Kilometer sind nicht gerade viel, aber sie kommen einem endlos vor, wenn an der Straße keine Häuser stehen und es schon dunkel ist. Irgendwann ertönt hinter mir das Geräusch von Motorrollern. Als sie mich überholen, drehen sich die beiden Fahrer zu mir um. Plötzlich hupt der eine und macht dem anderen ein Zeichen, zu bremsen. Ein ganzes Stück weiter vorn halten sie an, reden miteinander und blicken sich zu mir um. Dann wendet der linke seinen Roller und kommt auf mich zu. Und jetzt? Mein Herz pocht heftig, aber ichversuche ruhig zu bleiben, bremse ab und greife in die Tasche nach meinem Handy. Wenige Meter vor mir bleibt er stehen und schiebt das Visier hoch. Ich halte ebenfalls und sehe ihn an. Mein Herz schlägt zum Zerspringen, während ich das Handy fest umklammere. Schließlich nimmt er den Helm ab wie ein Filmbandit, der sich im spannendsten Moment die Maske herunterreißt und seine wahre Identität preisgibt. Mir bleibt der Mund offen stehen und fast will ich mir vor Überraschung die Augen reiben. Stiller denn je steht vor mir Zero alias Gabriele Righi höchstpersönlich, mein stummer Caravaggio, mein einsamer Künstler. Reglos hockt er auf seinem klapprigen Roller und wartet darauf, dass ich etwas sage. »Ach, du bist es …«, stoße ich mit all der Luft, die ich angehalten habe, hervor. »Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt.« Ich lächle. Endlich kann ich mich entspannen. »Ich hab einen Platten. Kannst du mir helfen?« Ich sehe ihn flehentlich an, was offenbar
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