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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag
Autoren: Harry Kemelman
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Verwalter.»
    Es klingelte. Der Fingerabdruckexperte kam. Lanigan ging mit ihm zum Kamin hinüber und zeigte ihm den Uhrenschlüssel. «Als Sie neulich hier gearbeitet haben, Joe – haben Sie da den Schlüssel auch überprüft?»
    «Den hab ich überhaupt nicht gesehen, Chief.» Er glaubte sich verteidigen zu müssen. «Wir können schließlich nicht alles kontrollieren, sonst wären wir ja ’ne ganze Woche hier. Nein, nur eben alles, was uns wahrscheinlich vorkommt. Ich würde zum Beispiel niemals die Decke bearbeiten, oder den Fußboden, oder …»
    «Schon gut, Joe. Niemand macht Ihnen einen Vorwurf. Aber bitte, nehmen Sie sich jetzt den Schlüssel vor.»
    Gespannt sahen sie zu, wie er den Schlüssel einstäubte und dann durch sein Vergrößerungsglas sah. «Jawohl, da ist ein großartiger Abdruck. Daumenspitze, würde ich sagen. Mit größter Wahrscheinlichkeit der rechte Daumen.»
    «Okay, Joe. Hier sind die Vergrößerungen der verschiedenen Abdrücke, die Sie hier genommen haben. Sehen Sie sie sich bitte an und vergleichen Sie sie.»
    «Nicht nötig, Chief. Den hier kenne ich. Der gehört Ellsworth Jordon.»
    «Ach!» Dieser enttäuschte Seufzer kam sowohl von Lanigan als auch vom Rabbi. Lanigan schüttelte ärgerlich und frustriert den Kopf, aber der Rabbi sagte: «Was ist denn mit der anderen Seite?» Er deutete auf den Schlüssel. «Dieser Abdruck ist auf der größeren Seite, mit der man die Uhr aufzieht. Vielleicht gibt es aber noch einen auf der dünneren Seite, die man zum Verstellen der Zeiger benutzt.»
    «Das ist eine Idee!» gab Joe zurück. Er holte einen kleinen Schraubenzieher aus seiner Tasche, schob ihn in die Öffnung und drehte den Schlüssel um. Abermals stäubte er ihn ein und verkündete kurz darauf: «Jawohl! Und das hier ist ein anderer.»
    «Sind Sie ganz sicher?», erkundigte sich Lanigan eifrig.
    «Hören Sie, Chief.», antwortete Joe vorwurfsvoll. «Dabei kann man sich gar nicht irren. Hier verläuft eine feine Narbenlinie. Der Abdruck stammt von Lawrence Gore.»
     
    «Wie kamen Sie eigentlich auf Gore?», fragte Lanigan. «Hatten Sie schon vor Miriams Anruf an ihn gedacht?»
    Der Rabbi nickte. «Von dem Moment an, als ich von dem Vierteljahresbericht hörte, den Molly Mandell abliefern wollte. Um mir zu zeigen, wie töricht Molly gehandelt hatte, wies mich ihr Ehemann darauf hin, dass der Bericht nicht einmal stimmte.»
    «Ja, das hat er mir auch gesagt. Und sie ebenfalls. Nahmen Sie an, dass Gore in die Kasse gegriffen hat? Das hat er nicht; wir haben es gründlich überprüft.»
    «Nein, der Gedanke ist mir nicht gekommen. Ich fand es nur seltsam, dass Gore den Bericht bei Jordon abliefern lassen wollte, obwohl die Endsumme nicht stimmte. Einerseits war Gore ängstlich darauf bedacht, den Bericht pünktlich abzuliefern, andererseits schien es ihm nichts auszumachen, dass er nicht stimmte. Das war unlogisch. Normalerweise hätte er sich doch sagen müssen, es habe keinen Sinn, ihn abzuliefern, bevor er ihn nicht korrigiert hatte, dass der alte Mann wahrscheinlich sogar noch wütender sein würde, wenn die Summen nicht stimmten, als wenn der Bericht zu spät eintraf.»
    «Ja», musste Lanigan zugeben. «Wenn man es recht bedenkt …»
    «Deshalb dachte ich mir, dass Gore nichts dagegen hatte, dass Molly ihn ablieferte, weil er wusste, es konnte ja nichts passieren. Weil Jordon tot war.»

53
    Rabbi Reuben Levy hatte zugenommen, seit Rabbi Small ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Er hatte ihn als groß und beinahe Mitleid erregend mager in Erinnerung, in den dazwischenliegenden Jahren aber hatte er ziemlich angesetzt und sogar eine Andeutung von Bauch bekommen. Als Rabbi Small eine Bemerkung darüber machte, sagte Rabbi Levy bedauernd: «Ich weiß, ich weiß. Aber wir haben über tausend Familien in unserer Gemeinde, und da vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine Bar Mitzwa, eine Verlobung oder eine Hochzeit stattfindet. Und zu allem werden wir eingeladen. Das macht es schwierig, sein Gewicht zu halten.»
    Seine schöne Baritonstimme klang jetzt sogar noch voller und wohltönender. Und er besaß die dazu passende Persönlichkeit und Selbstsicherheit. Als sie in der Cocktail-Lounge des eleganten – und teuren – Hotel Lafayette in Cambridge saßen, sahen Rabbi Small und Miriam voll Bewunderung, wie er den Kellner mit einem angedeuteten Heben des Kopfes herbeirief.
    Auch Mrs. Levy besaß als Frau eines eminent erfolgreichen Rabbi Haltung und Selbstsicherheit. Sie war nicht gerade
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