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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag
Autoren: Harry Kemelman
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Meisterschütze und Club-Champion sei. Deswegen schlage ich ein anderes Szenario vor: Ein Mann, ein Meisterschütze, hat sein Opfer mit einem einzigen Schuss zwischen die Augen getötet, steht da, kühl, selbstsicher, ein kleines, selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen, und leert die Waffe, indem er auf ein winziges Ziel nach dem anderen schießt.»
    «Wollen Sie sagen, er hat das Risiko auf sich genommen, all diese Schüsse abzufeuern, nur um den ersten, perfekten Treffer zu kaschieren? Das ist doch unlogisch. Er hätte …»
    «Nicht den ersten Schuss. Den Zweiten.»
    «Den Zweiten?»
    «Den auf die Uhr. Er musste sich ein Alibi verschaffen. Nachdem er also Jordon erschossen hat, stellt er die Uhr auf halb neun, tritt dann zurück und schießt auf sie, damit sie stehen bleibt und die angebliche Mordzeit verrät. Aber wenn er dann alles so gelassen hätte, nur die zwei Schüsse, hätte die Polizei sofort Verdacht geschöpft. Deswegen kaschiert er sie, indem er die übrigen Schüsse auch noch abfeuert. Anschließend brauchte er nur dafür zu sorgen, dass er gegen halb neun weit von hier entfernt war.»
    «Aber, verdammt noch mal, er hat sich kein Alibi ‹verschafft›. Ich habe Ihnen doch erklärt …»
    «O doch, das hat er», widersprach der Rabbi schnell. «Er machte sich auf den Weg nach Boston und hielt unterwegs an, um vom Büro einer Tankstelle aus zu telefonieren. Wenn da ein Tankwart ist, vor allem, wenn’s auf den Ladenschluss zugeht, wird der sich bestimmt an die Zeit erinnern. Und außerdem wird sich derjenige erinnern, den man anruft. Handelt es sich um eine Hausfrau, weiß sie genau, wann sie das Abendessen auftischt, um wie viel Uhr sie mit dem Essen fertig sind, und wie lange es dauert, bis das Geschirr gespült ist, vor allem, wenn sie noch etwas zu erledigen hat. Wenn’s bei dem Alibi nicht um Sekundenbruchteile geht, kann dann die Polizei mit Hilfe der beiden, dem Tankwart und der Hausfrau, einen Zeitpunkt ermitteln, der ausreichend genau sein dürfte. Aber man kann nicht einfach irgendjemanden anrufen, jedenfalls nicht, wenn man unterwegs nach Boston ist. Man kann nicht einfach einen alten Bekannten anrufen und sagen, man hätte gerade an ihn gedacht. Nicht auf dem Highway. Es muss einen triftigen Grund für den Anruf geben, eventuell einen geschäftlichen. Deswegen rief er Mrs. Mandell an.»
    Obwohl Lanigan beeindruckt war, dachte er noch nicht daran, klein beizugeben. Er brachte sogar einen überheblichen, desinteressierten Ausdruck zustande. «Und sein Motiv, David? Sie wollen doch wohl nicht behaupten, er hätte nur beweisen wollen, wie gut er schießen kann, wie?»
    Der Rabbi lächelte. «Nein, nein, nichts so psychologisch Abwegiges. Ich denke, er hat es wegen Geld getan.»
    «Meinen Sie, weil der Bericht nicht stimmte?»
    «Diese Tatsache fand ich bezeichnend, aber …»
    «Das können Sie vergessen», unterbrach Lanigan ihn. «Wir haben einen Buchprüfer an Jordons Konto gesetzt. Es war erstklassig in Ordnung.»
    «Nein, daran hatte ich nicht gedacht», entgegnete der Rabbi. «Ich dachte an eine Bemerkung, die Dr. Springhurst neulich abends im Agathon gemacht hat: dass Jordon weder Freunde noch Familie hatte. Und etwas später kam dann die scheinbar widersprüchliche Bemerkung, dass Gore mit Jordon verwandt sei. Ich nehme an, er meinte, dass Jordon keine engere Familie hatte und dass Gore vielleicht ein Vetter zweiten oder dritten Grades war. Wenn es jedoch keine anderen Angehörigen gab und Jordon ohne Testament verstarb, würde Gore ihn natürlich beerben. Nun nehmen wir doch mal an, dass Jordon Gore anvertraut hat, Billy sei sein Sohn und er wolle ein Testament zu seinen Gunsten machen …»
    «Jetzt verstehe ich!», gab Lanigan zu. «Und es wäre durchaus möglich. Obwohl Sie sich zweifellos darüber klar sind, dass wir auch nicht den Schatten eines Beweises dafür haben.»
    «Fingerabdrücke?», meinte der Rabbi hoffnungsvoll.
    «Von Gore? Jede Menge. Aber das war ja zu erwarten; er hat den Abend hier verbracht.»
    «Ich meine, möglicherweise auf der Uhr. Billy sagte mir, dass Jordon diese Uhr sehr schätzte und niemanden an sie heranlassen wollte, nicht mal zum Aufziehen. Wenn also Gores Abdrücke drauf sind, wäre das doch ein Beweis, nicht wahr?» Der Rabbi ging in die Hocke und betrachtete die Uhr, die auf dem Fußboden lag.
    Lanigan holte den Aktenhefter aus dem Esszimmer und blätterte darin herum. «Warten Sie mal, hier sind Vergrößerungen von verschiedenen
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