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Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition)
Autoren: Joana Brouwer
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dir!«
    »Du bist irre«, schrie Beate. »Du bist absolut irre! Nimmst du tatsächlich an, dass du so einfach davonkommst?«
    Sie bückte sich, hob eines der Weckgläser auf, warf es Heide schwungvoll vor die Füße und kicherte hysterisch, als es laut scheppernd zerbrach. Eine rote, dickflüssige Masse, in der ein paar Früchte schwammen, breitete sich auf dem Estrich aus. Beate bückte sich ein zweites Mal, nahm das andere Glas und ließ auch dieses fallen. Es zersprang, ebenso laut klirrend wie das erste.
    Heide hatte schützend ihr Gesicht auf die Oberarme gedrückt und wartete einen Moment, ehe sie aufsah. Dickflüssiges, dunkelrotes Pflaumenkompott hatte sich mit Erdbeeren und Saft vermischt. Eine unappetitliche, breiige, stinkende Pfütze, in der Glasscherben glitzerten, breitete sich auf dem Estrich aus. Heide begann zu frieren und wunderte sich darüber. Hatte sie nicht noch vor wenigen Minuten ihren Angstschweiß gefühlt? Und jetzt? Was fühlte sie jetzt? Todeskälte?
    *
    Als Dieter und Michel am Abend den Sandweg, der zu Wanners Wochenendgrundstück führte, erreichten, trug ihnen ein leichter Wind schon den Brandgeruch, der noch immer in der Luft lag, entgegen. Sie streiften sich weiße Schutzanzüge und Schuhschützer über und gingen die letzten Meter zu Fuß. Michel hatte während der Fahrt durch den Hümmling die bisher erfolglose Suche nach Heide mit keinem Wort erwähnt, und dafür war Dieter ihm dankbar. Das gutgemeinte Schulterklopfen einiger Kollegen und die Bemerkung, es sei verfrüht, sich Gedanken zu machen, beruhigten ihn keineswegs. Er kannte Heide gut genug, um zu wissen, dass er sich durchaus Sorgen machen musste. Es war nicht ihre Art, mehrere Stunden abzutauchen, ohne irgendjemandem mitzuteilen, wo sie sich aufhielt. Falls das allerdings geschehen war und sie sich aus irgendwelchen banalen Gründen nicht gemeldet hatte, dachte er hoffnungsvoll, würde er einen Streit vom Zaun brechen, der jede vergangene Auseinandersetzung zwischen ihnen in den Schatten stellte.
    Karel Friedrichs hatte das Gelände zwar weiträumig absperren lassen, doch vor den rot-weißen Absperrbändern tummelten sich mehrere Personen. Manche unterhielten sich leise, andere schwiegen betreten. Vermutlich hatte die Neuigkeit, der Apotheker Orthes habe zwei Morde gestanden und eines seiner Opfer in Wanners Karpfenteich versenkt, bereits im Dorf für allerhand Aufregung gesorgt. Michel blieb vor der Brandruine stehen und betrachtete die kärglichen Überreste, die das Feuer hinterlassen hatte. Während der Vernehmung hatte er das Bild einer baufälligen Holzbude vor Augen gehabt, die von schwarz-braunem Ruß überzogen war. Jetzt musste er feststellen, dass dort, wo das Häuschen einmal gestanden hatte, lediglich das Steingerüst eines schiefen Kamins aus einem verkohlten, flachen schwarzen Bretterhaufen ragte.
    Vor mehreren hochgewachsenen Eiben, die eine dichte Hecke bildeten, hockten zwei von Friedrichs’ Leuten, die Blicke auf den Erdboden vor sich gerichtet. Auf dem begrünten Uferbereich des Teichs lag – mit einer blauen Plane abgedeckt – ein längliches Paket. Zwei Taucher saßen, noch mit feucht schimmernden Neoprenoveralls bekleidet, neben ihren Sauerstoffflaschen und unterhielten sich mit Karel Friedrichs.
    Friedrichs brach das Gespräch ab, als er Dieter und Michel bemerkte, und kam ihnen entgegen. Er wies auf die blaue Plane. »Unser Doktor hat ihn sich bereits angesehen. Der Tote lag schon seit einigen Tagen im Wasser. Dem äußeren Anschein nach wurde er erschossen.«
    »Es ist Schöllen?«
    »Davon können wir ausgehen. Der Gemeindepfarrer hat ihn identifiziert. Er hat Schöllens Kinder getauft, daher kennt er ihn.«
    »Schon was Neues gehört? Konntest du Frau von der Heide erreichen, Dieter?«
    »Wir haben lediglich erfahren, dass sie heute Morgen gegen halb acht in der Parkpalette am Nordhorner Busbahnhof gesehen wurde«, sagte Michel, als er sah, dass Dieter lediglich den Kopf schüttelte und nicht gewillt war zu reden.
    »Sie hat dir nicht erzählt, was sie sich für den Tag vorgenommen hatte?«, wandte Karel Friedrichs sich erneut an Dieter.
    »Nein«, erwiderte Dieter knapp. Er wollte keine detaillierten Erklärungen über Heides geplanten Tagesablauf abgeben. Er wollte überhaupt nicht mit irgendjemandem über sie sprechen, der sie gar nicht oder kaum kannte. Er wollte in Ruhe seine Arbeit machen, weil es die einzige Beschäftigung war, die ihn wenigstens zeitweilig ablenkte und ihn nicht vor
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