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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor
Autoren: Brigitte Aubert
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Den Blick auf Jean-Jean geheftet, dachte er, dass sich dieser Idiot tatsächlich für einen Kinohelden hielt, und andererseits, dass er seiner zukünftigen Exfrau endlich einmal was zu erzählen hätte.
    »Oh verflucht!«, stieß einer der Krankenträger aus.
    Das war das Mindeste, was man sagen konnte.
    Als er aus dem Autobus stieg, rutschte der kleine Mann aus und wäre beinahe der Länge nach hingefallen. Ein langer Typ lachte. Der kleine Mann sah ihn ruhig an. Der andere wandte sich ab.
    Die Menschen sind wie Hunde, man muss ihnen zeigen, wer der Herr ist.
    Zu Hause angekommen, warf er sich aufs Sofa, ein großes altmodisch gepolstertes Möbel, Erbstück von einer Tante, die er kaum gekannt hatte. Er schaltete den Fernseher ein. Ein großes neues Gerät mit extra flachem Bildschirm, numerischem Ton und allem anderen Drum und Dran. Er liebte das Fernsehen. Er hatte Kabelanschluss. Sechsunddreißig Programme, zapp-zapp-zapp, rund um die Uhr, Geräusche, Bilder, ständiges Kaleidoskop der Welt in Bewegung - Bewegung, er liebte die Bewegung. Er schaltete auf Eurosport.
    Mit etwas Glück wird das Match nicht zu Ende gespielt.
    Ballwechsel auf nassem Platz, es regnet wirklich überall, schon wieder ein verpatzter Sommer … Seht euch diesen Idioten an, er schlägt daneben, los, mach schon, du Blödmann!
    Während er die Spieler beschimpfte, roch der kleine Mann an seiner Hand, berauschte sich an dem süßlichen Geruch, den sie verströmte. Er lächelte vor sich hin, entblößte seine spitzen gelben Zähne. Er hatte eine Reportage über die früheren Kannibalen der Samoa-Inseln gesehen, die sich regelmäßig die Zähne feilten, und hatte beschlossen, es ihnen gleichzutun. Einfallsreiche und pragmatische Leute, diese Wilden. Naturnah wie ich. Was ist die Natur anderes als der im großen Rahmen organisierte Mord. Gut, es reicht nicht, zu philosophieren. Er musste zur Gefriertruhe gehen, eine neue Kreation vorbereiten Er stand auf, streckte sich genüsslich und kratzte sich zwischen den Beinen. Er zündete sich eine Gitane an und sog den Rauch tief ein. Er fühlte sich unheimlich gut. Er hätte nie geglaubt, dass ihm das solche Lust bereiten würde. Bis dahin hatte er sich mit Tierkadavern begnügt, die man ihm überlassen hatte. Er konnte ein paar schöne Kombinationen verbuchen. Eine Hund-Katzen-Ratte mit sechs Beinen und drei Schwänzen, zum Beispiel. Aber das hier, das war wirklich etwas anderes!
    Der Beute auflauern, sie überraschen und schnell töten, sie in mein Schlupfloch schaffen, auf den Tisch legen - Stillleben in situ zusehen, wie die Säge ihre Spur im Fleisch hinterlässt, das sich öffnet und die verschlungenen Blutgefäße zu Tage bringt, den Druck verstärken, schneiden, fühlen, wie sich die Knochen spalten, die Glieder und den Kopf abtrennen, einen Kopf, den man an den Haaren hält, dessen Gewicht man am Ende des ausgestreckten Arms spürt, es ist wie eine WodkaTransfusion, ein unvergleichlicher Trip, eine der Elite der Jäger vorbehaltene Reise jenseits der Realität!
    Ein entzücktes Lächeln um die schmalen Lippen, hob er den Deckel der überdimensionalen Gefriertruhe. Es war das erste Mal, dass er sich an Menschen vergriff. Genauer gesagt, das zweite Mal. Aber das erste Mal zählte nicht wirklich, es hatte sich fast von selbst ergeben. Er schloss die Augen, mochte nicht daran denken, wollte nie mehr daran denken. Lieber sah er sich auf dem Platz um, nach Einbruch der Dunkelheit, nahm den Geruch der Blätter wahr, das Zwitschern der Spatzen. Er hatte gewartet, geduldig, lange, bebend vor Erregung. Bei den gewöhnlichen Versuchstieren gab es kein Jagdfieber. Es gab nur sterbende Tiere, denen er in der üblichen Stille des Labors die letzte Spritze gab. Kein Wind in den Zweigen, keine ahnungslosen Passanten, kein Hupen, so nah und so fern von dieser magischen Erwartung.
    Er durchlebte noch einmal jeden Eindruck, Sekunde für Sekunde, und seine Muskeln zuckten bei der Erinnerung. Der kleine Entsetzensschrei der Kassiererin, fast im selben Moment vom Rasiermesser erstickt, das Gefühl, wie ihre üppigen Brüste auf ihn prallten, die Erkenntnis, dass ein lebloser Körper schwer ist. Der alte Mann, willenlos im kurz geschorenen Gras ausgestreckt, sturzbetrunken. Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, die Augen zu öffnen, war, ohne es zu ahnen, von der irdischen Nacht hinüber in die ewige Nacht geglitten. Der junge Typ dagegen hatte versucht, sich zu wehren, was mit einer über den Kopf gestülpten
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