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Der Professor

Titel: Der Professor
Autoren: John Katzenbach
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redete über die Ereignisse des Tages, bei der Arbeit, in der Schule. Alles ganz normal und vorhersehbar. Plötzlich platzte er mit einer Frage heraus, die in dem kleinen Schlafzimmer widerhallte, als hätte er sie über eine Schlucht gebrüllt. »Was soll ich tun? Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    »Aber natürlich weißt du das, Schatz«, entgegnete seine Frau auf dem Ehebett neben ihm.

4
    D er Anruf kam erst kurz vor 23 Uhr herein, als Detective Terri Collins gerade ernsthaft überlegte, ins Bett zu gehen. Ihre beiden Kinder schliefen bereits in ihrem Zimmer – nach den Hausaufgaben und der Gutenachtgeschichte, wie es sich gehört. Sie hatte gerade noch einmal nach ihnen gesehen, indem sie die Tür einen Spaltbreit öffnete und sich im matten Licht, das aus dem Flur auf ihre Gesichter fiel, davon überzeugen konnte, dass sie fest schliefen.
    Keine Albträume. Gleichmäßiger Atem. Nicht einmal ein Schniefen, das eine Erkältung ankündigte. Sie wusste aus der Selbsthilfegruppe, die sie gelegentlich besuchte, dass manche alleinerziehenden Eltern sich von ihren schlafenden Kindern nur mühsam losreißen konnten. Es war, als ob sich all das Unheil, das diese Situation heraufbeschworen hatte, um diese Zeit ungezügelter austoben konnte, so dass sie die Stunden, die dringend für Ruhe und Entspannung benötigt wurden, mit Ungewissheit, Sorgen und Ängsten vergeudeten.
    Doch an diesem Abend war alles in Ordnung und vollkommen normal. Sie ließ die Tür angelehnt und tappte gerade zum Badezimmer, als in der Küche das Telefon klingelte. Auf ihrem Weg zum Apparat sah sie auf die Wanduhr.
Um diese Zeit muss es was Ernstes sein,
dachte sie.
    Es war der Nachtdienst der Notrufzentrale im Polizeipräsidium. »Detective, ich habe hier eine sehr beunruhigte Frau auf der anderen Leitung. Ich glaube, Sie hatten früher schon mit Anrufen von ihr zu tun. Offenbar geht es um eine Ausreißerin …«
    Detective Terri Collins wusste sofort, um wen es sich handelte.
Vielleicht ist Jennifer ja diesmal tatsächlich abgehauen,
dachte sie. Doch das war unprofessionell, und »abgehauen« war eine wenig einfühlsame Floskel dafür, dass ein Teenager die gewohnten Schrecken gegen andere und möglicherweise schlimmere tauschte.
    »Bitte warten Sie einen Augenblick«, sagte Terri. Sie wechselte mühelos von der Mutterrolle zu der der Kommissarin. Es gehörte zu ihren Stärken, dass sie die verschiedenen Bereiche ihres Lebens säuberlich voneinander trennen konnte. Allzu viele Jahre allzu großer Turbulenzen hatten bei ihr das dringende Bedürfnis nach geordneten, geregelten Verhältnissen geweckt.
    Sie schaltete den Beamten der Leitstelle in die Warteschleife, während sie eine zweite Nummer wählte, die auf einer Liste neben dem Küchentelefon stand. Zu den wenigen Vorteilen der Erfahrungen, die hinter ihr lagen, gehörte es, dass sie über ein Netzwerk an potenziellen Helfern verfügte. »Hallo, Laurie, ich bin’s, Terri. Es tut mir wahnsinnig leid, dich um diese Zeit zu behelligen, aber …«
    »Du wirst zu einem Fall gerufen, und ich soll auf die Kinder aufpassen?« Es schwang unverkennbar Freude in der Frage ihrer Freundin mit.
    »Ja.«
    »Bin gleich da. Kein Problem, mach ich gerne. Was meinst du, wie lange es ungefähr dauert?« Terri schmunzelte. Laurie litt wie kaum ein anderer an Schlaflosigkeit, und Terri wusste, dass es sie insgeheim freute, mitten in der Nacht gerufen zu werden, besonders, um auf Kinder aufzupassen, nachdem ihre eigenen erwachsen und weggezogen waren. Es gab ihr die Möglichkeit, etwas anderes zu tun, als sich sinnlos bis in die tiefe Nacht Kabelfernsehen reinzuziehen oder ängstlich in ihrem dunklen Haus hin und her zu laufen und über all das, was in ihrem Leben schiefgelaufen war, Selbstgespräche zu führen. Und das Thema war, wie Terri wusste, ein abendfüllendes Programm.
    »Schwer zu sagen. Mindestens ein paar Stunden, eher länger, möglicherweise die ganze Nacht.«
    »Dann bring ich die Zahnbürste mit«, antwortete Laurie.
    Terri drückte auf die Warteschleifetaste und meldete sich wieder bei der Polizeileitstelle. »Sagen Sie Mrs. Riggins, dass ich in ungefähr einer halben Stunde bei ihr bin, um mit ihr zu reden. Sind schon uniformierte Polizisten da?«
    »Unterwegs.«
    »Geben Sie ihnen Bescheid, dass ich in Kürze dort bin. Sie sollten schon mal erste Zeugenaussagen aufnehmen, damit wir den zeitlichen Ablauf rekonstruieren können. Außerdem sollten sie versuchen, Mrs. Riggins zu
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