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Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Autoren: Leif GW Persson
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habe ich nicht vor, die Ruder einzuziehen.«
    Dann schütteln wir uns darauf die Hand, Papa, der nur noch die Hälfte von dem wiegt, was ich wiege, und ich. Seine Hände sind aber immer noch doppelt so groß wie meine.
    Am Abend darauf, als meine Frau und ich das Restaurant verlassen haben und ins Hotel zurückkehren, ruft mich mein ältester Sohn an und erzählt, Gustav habe nachgegeben und das Erdenleben hinter sich gelassen.
    »Er hat es mir doch versprochen«, sage ich, und das schwarze Nichts, das sich in meiner Brust auftut, ist ebenso groß wie an dem Tag vor 45 Jahren, als ich in der Diele zu Hause im Tegeluddsvägen auf das Bündel mit seinen blutigen Kleidern auf dem Fußboden schaue.
    »Natürlich hat er das«, sagt mein Sohn. »Er wollte dich schonen. So war er nun einmal.«
    Das schwarze Nichts in meiner Brust ist immer noch da. Hoffentlich stirbt es mit mir, damit sich meine Kinder nicht damit herumschlagen müssen, und verschwindet gänzlich, wenn wir uns wiedersehen, Papa Gustav und ich.

71.

Das schwarze Nichts
    Das schwarze Nichts in meiner Brust tut sich immer ohne Vorwarnung auf, und dann stürze ich immer Kopf voran ab. Mir bleibt nicht einmal die Zeit, den Versuch zu unternehmen, mich abzufangen.
    Im Jahr nach dem Tod meines Vaters bin ich in England und jage Fasane. Nach dem Abendessen sitzen wir in der Bibliothek des Gastgebers der Jagd. Gemäß englischem Standard ist unser Gastgeber ein feinerer Mensch als fast alle anderen Menschen auf Erden. Sein hochadliger Vater ist »Keeper of the Purse«. Der eigene Finanzminister der Queen. Er begleitet sie beim Shoppen und zieht seine Brieftasche aus der Tasche, wenn sie sich das halbe Dutzend Leinenschnupftücher ausgesucht hat, die sie braucht, um sich zu schnäuzen. Der Prince of Wales ist der Pate seiner beiden Kinder, und laut englischen Klatschblättern ist er sogar noch mehr als das, und für jeden Emporkömmling, der seinen Namen verdient hat, muss dies das ultimative Ziel sein. Da ich gute Laune habe und mich in der Gesellschaft wohlfühle, fällt mir mein Vater Gustav ein.
    »Klingt, als sei das ein einfacher und netter Mann gewesen«, sagt der schwedische Baron in der Runde. »Wer hätte geahnt, dass der Professor mit so einem verwandt ist.«
    Im gleichen Moment tut sich das schwarze Nichts in meiner Brust auf. Ich stehe auf und packe ihn mit Händen, die plötzlich ebenso groß sind wie die meines Vaters, am Kragen und fordere ihn auf, mir vors Haus zu folgen, damit ich ihm sämtliche Knochen brechen kann.
    Aufstieg? Du verlässt etwas, zu dem du dich nicht mehr bekennen willst oder zu bekennen wagst. Du verlässt Menschen, die du nicht mehr kennst und die dich vielleicht selbst auch nicht kennen wollen. Stattdessen gelangst du an einen Ort, an dem das Herz in deiner Brust plötzlich von einem schwarzen Nichts ersetzt wird, in das du jederzeit unversehens Kopf voran abstürzen kannst.

72.

Das Erbteil eines Emporkömmlings
    Wirklichkeit abgestürzt … ohne Wirklichkeit geboren.
    Alle Menschen werden mit einer Wirklichkeit geboren, ich auch. Das Problem ist nur, dass die Wirklichkeit, in die ich hineingeboren werde, eine andere ist als die, in der ich den größten Teil meines Lebens verbringe. Das ist eine Erfahrung, die ich mit vielen anderen teile. Wir Aufsteiger werden ohne die Wirklichkeit geboren, in die wir geraten. Das ist ein weiterer Grund dafür, dass die Wirklichkeit, in der wir leben –ebenso wie die, in die wir geboren werden – gelegentlich einstürzen kann.
    Mein Vater Gustav stirbt im Frühjahr 2001 ein paar Monate vor seinem 88. Geburtstag. Meine Mutter Margit stirbt acht Jahre später im Alter von 92 Jahren, und hätte sie nur unterlassen, auf dem Weg zum Ende einige hundert Kilo Tabletten zu schlucken, wäre sie sicher immer noch am Leben, und ich hätte noch damit warten müssen, dieses Buch zu schreiben.
    Das Erbteil eines Emporkömmlings? Wenn es mir schwerfällt, über etwas zu sprechen, dann gehe ich dieses Problem an, indem ich erst über etwas ganz anderes rede. Über Dinge, die weniger wichtig sind. Ich mache erst einmal reinen Tisch sozusagen, so dass zum Schluss nur noch das übrig bleibt, worüber ich nicht gerne reden will. Das, worum es wirklich geht. Dieses Mal will ich es umgekehrt machen.
    Es geht darum, dass meine Mutter mir nicht gestattet, meinen Vater zu begraben. Das ist das Schlimmste, was mir in meinem Leben passiert ist. Es ist noch schlimmer als damals, als meinem Vater ein Felsbrocken auf
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