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Der Prinzessinnenclub

Der Prinzessinnenclub

Titel: Der Prinzessinnenclub
Autoren: Katja Reider
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nervös an mir herumzuppelte wie die Eltern in der Reihe vor mir an ihrer Tochter. Himmel, die konnte einem ja echt leidtun! Wenn die Eltern nicht gerade gleichzeitig von rechts und links auf ihre Tochter einflüsterten, zupften sie ihr emsig irgendwelche Fusseln von der Jacke oder strichen ihr die Haare nach hinten, zur Seite oder sonst wohin. Ich wurde schon vom Zusehen ganz nervös. Wahrscheinlich hätte ich einen Schreikrampf gekriegt, wenn Mama das bei mir gemacht hätte! Aber das Mädchen vor mir saß ruhig und irgendwie schicksalsergeben zwischen ihren Eltern. Ihr brauner Pagenkopf bewegte sich kaum. Sie schien starr geradeaus zu blicken.
    Wahrscheinlich war sie das Gefummel gewöhnt! Oder sie meditierte, um es besser aushalten zu können, oder so was. Aber dann, als hätte sie gespürt, dass ich sie beobachtete, drehte sich das Pagenkopf-Mädchen plötzlich um und musterte mich. Natürlich konnte sie nicht wissen, dass ich sie angestarrt hatte, aber ich fühlte mich trotzdem ertappt. Also grinste ich ihr verlegen zu und sie lächelte scheu zurück. Einen Moment lang sahen wir uns an und waren unsicher, ob wir ein Gespräch starten sollten. Aber da tippte der Vater des Pagenkopf-Mädchens seiner Tochter auch schon auf den Arm und mahnte halblaut: »Schau nach vorn, Prinzessin! Es geht los!«
    Also mir wäre es ja total peinlich, wenn Papa mich in aller Öffentlichkeit mit meinem Kosenamen »Prinzessin« ansprechen würde! Wirklich, das wäre gaaaanz schrecklich und völlig un-ent-schuldbar! Aber Papa weiß genau, dass mir schon allein mein Name - oder sagen wir mal, die Tatsache, dass Mama mich nach Prinzessin Diana benannt hat - echt peinlich ist. Deswegen darf Papa mich wirklich NUR Prinzessin nennen, wenn wir ganz allein sind. Und Türen und Fenster fest geschlossen!
    Ich grinste in mich hinein. Irgendwie fand ich es lustig, dass der Pagenkopf den gleichen Kosenamen trug wie ich selber!
    Inzwischen war Herr Dr. Knüsen, der Schulleiter, geschäftig durch die Reihen nach vorne geeilt. Betont elastisch hechtete er auf die Bühne und begann, hektisch an dem Mikrofonständer herumzufummeln.
    »Eins, zwei«, sagte er immer wieder, »eins, zwei.« Das sollte natürlich keine Begrüßung sein, sondern Herr Dr. Knüsen wollte prüfen, ob das Mikro auch funktionierte. Natürlich funktionierte es nicht, sondern gab infernalische Pfeifgeräusche von sich (ich habe noch nie erlebt, dass ein solches Ding von Anfang an funktioniert. Immer muss erst irgendein lustloser Hausmeister im Schneckentempo auf die Bühne geschlurft kommen, um das Mikro davon abzuhalten, gellend zu pfeifen oder zu rauschen). So war es auch diesmal.
    Als das Mikroritual glücklich beendet war, strahlte Herr Dr. Knüsen zufrieden in die Runde und sagte, dass er sich freue - nicht ohne Stolz, wie er wohl an dieser Stelle einmal bemerken dürfe -, dass auch in diesem Jahr so viele Jungen und Mädchen den Weg auf das Schiller-Gymnasium gefunden hätten. Eine Schule, in der sich ehrwürdige Tradition und modernste Lehre und Pädagogik die Hand reichten, um gemeinsam... bla und blubb und bladablub …
    Meine Gedanken schweiften ab. Diese Rede war ja etwa so spannend wie der Börsenbericht. Ob es Mama ähnlich ging? Ich warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. Aber Mamas Gesicht spiegelte natürlich genau die richtige Mischung von höflichem Interesse und feierlichfroher Erwartung, die hier gerade gefordert war. Ich hatte nichts anderes erwartet.
    Mama ist ziemlich gut darin, ein interessiertes Gesicht zu machen. Sie übt es ja auch regelmäßig, immer dann, wenn Papa uns lang und breit eine Begebenheit aus seiner Kanzlei erzählt. Papa ist Rechtsanwalt. Leider hat er immer nur ziemlich langweilige Fälle. Er verteidigt nämlich keine richtig gefährlichen Typen wie Mörder, Brandstifter und Bankräuber oder so, wie die Anwälte im Fernsehen. Nein, Papa beschäftigt sich mit Steuerrecht. Ich glaube, ein langweiligeres Thema gibt es auf der ganzen Welt nicht! Dagegen sind Mamas Bürogeschichten die reinsten Krimis!
    Ich denke, das liegt daran, dass Mama immer eher persönliche Sachen erzählt, also, welche Kollegin schwanger ist oder mit welcher sie sich warum gerade nicht so gut versteht und so weiter. Während Papa es tatsächlich schafft, uns irgendeine öde »Steuerrechtssachlage« haarklein wiederzugeben. Ich flüchte dann immer fix unter dem Vorwand noch zu erledigender Hausaufgaben in mein Zimmer, aber Mama bleibt ja nichts anderes übrig, als brav
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