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Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens
Autoren: Beverley Jones
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Zimmerschlüssel gab, der an einem Stück Treibholz befestigt war. Dann blickte sie betreten zur Seite, weil sie offenbar gemerkt hatte, wie fehl am Platz diese Bemerkung war. »Abendessen gibt es um 19 Uhr. Für wie viele Personen darf ich reservieren?« Mit jeder Sekunde, die mein Schweigen andauerte, wanderten ihre Augenbrauen ein Stückchen weiter nach oben.
    »Für eine, bitte«, brachte ich schließlich hervor.
    »Natürlich, gerne.« Sie lächelte aufmunternd, als hätte ich ihr gerade anvertraut, dass ich auf das Ergebnis einer Krebsuntersuchung wartete. »Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie noch etwas brauchen. Einfach auf dem Zimmertelefon die Null wählen und nach Vivienne fragen.«
    Die Suite war tatsächlich wunderschön – krumm und verwinkelt wie das ganze Gebäude, aber in wohltuend dezentem Cremeweiß, Hellblau und Taubengrau eingerichtet. Ein riesiger Flachbildschirm schwebte dunkel über einer antiken Frisierkommode, an der ein Jugendstilspiegel zum Ausfahren befestigt war. Durch das Sprossenfenster mit der breiten Fensterbank sah man, so weit das Auge blickte, wogendes Meer und blauen Himmel. Ein riesiges Doppelbett mit weicher Federdecke nahm den Großteil des Raumes ein.
    Vivienne hatte nicht gelogen: Das Zimmer war intim. Und romantisch.
    Ich sank auf eine samtbezogene Chaiselongue, schmiegte mich in eine handgewebte walisische Wolldecke und weinte salzige Tränen, die selbst die auflaufende Flut in den Schatten stellten.
    »Warum, Dan? Warum? Wie konntest du nur? Wir hätten eigentlich zusammen hier sein sollen«, schluchzte ich in den feinen Wollstoff. Jetzt, wo ich einmal den Stecker gezogen und jede Zurückhaltung aufgegeben hatte, geriet ich regelrecht in einen Gefühlsrausch und fand, dass ich durch meine bisherige Selbstbeherrschung einiges verpasst hatte.
    Nachdem ich mich eine Stunde lang meinen Tränen und meinem Selbstmitleid hingegeben hatte, stand ich auf, schnäuzte mich und beschloss, die Flasche Merlot aufzumachen, die als Geschenk des Hauses neben dem Bett wartete. Zwei Gläser Wein und sechs durchweichte Taschentücher später nahm ich überrascht den strengen Tonfall zur Kenntnis, den ich mir gegenüber anschlug. Es war, als stammte die Stimme, die da mit mir sprach, von jemand ganz anderem. Ich stellte mir eine Lehrerin aus den Vierzigerjahren mit hochgeschlossener Spitzenbluse vor, was seltsam tröstlich wirkte.
    Du hast zwei Möglichkeiten , sagte die Stimme unnachgiebig. Entweder du bleibst wimmernd auf der Chaiselongue liegen und suhlst dich weiter im Selbstmitleid – was übrigens äußerst unattraktiv aussieht –, bis du schwach wirst, Dan anrufst und seinen Ausreden glaubst. Oder du duschst, ziehst dich an, besorgst dir etwas zu essen und fängst dich wieder. Bewahr dir wenigstens ein bisschen Würde und lass ihn eine Weile zappeln, damit er sich zur Abwechslung mal um dich Sorgen macht. Dieser verlogene, unehrliche …
    Ich brachte die Stimme mit einem Schluck Wein zum Schweigen. Dann leerte ich den Rest des Glases in einem Zug und zog mich aus. Teure Kosmetikartikel und ein wunderschönes großes Badezimmer, in dem Captain Morgan und die Hälfte seiner Besatzung Platz gefunden hätten, erwarteten mich.
    Am liebsten hätte ich Dan angerufen und ihn angefleht, mir zu sagen, dass alles nur ein Irrtum sei, aber ausnahmsweise zählte ich nicht bis zehn, sondern bis zwanzig und überlegte es mir anders.
    Ich entdeckte ihn nach dem Abendessen.
    Inzwischen war ich mehr als nur ein wenig beschwipst, aber dass ich mich benommen und irgendwie komisch fühlte, kam mir nach den Ereignissen des Vormittags nur logisch vor. Einen solchen Streit hatte es zwischen Dan und mir nie zuvor gegeben. Ich hatte niemals eine fremde Frau am Telefon ausgefragt, Gegenstände durchs Zimmer geworfen oder eine Verlobung gelöst, woher sollte ich also wissen, wie man mit so einer Situation umging?
    Im offenen Kamin mit dem alten, geschwungenen Sims prasselte ein munteres Holzfeuer, das die wärmenden Rot- und Brauntöne der Hotelbar, die sich »Schmugglernest« nannte, noch unterstrich. Ich saß allein in einer Sitznische am Fenster und fühlte mich ein wenig unbehaglich, weil ich ohne Begleitung hier war. Zum Abendessen hatte es lauter Köstlichkeiten gegeben, die ich mir normalerweise niemals gönnen würde, weil sie so schlecht für die Figur sind: mit Brie gefüllte Pilze, Krebsschwänze in Rahmsoße und hausgemachten Käsekuchen mit Honigkruste.
    Mit vollem Magen beäugte ich die verliebten
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