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Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens
Autoren: Beverley Jones
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war ich in der Bittstellerposition und musste ihn anflehen, wiederzukommen und die Sache mit mir auszudiskutieren. Außerdem wollte ich keinen ausgewachsenen Streit riskieren, bevor wir in unser gemeinsames Wochenende aufgebrochen waren. Also wartete ich.
    Dan zog gerade den frisch gemahlenen Kaffee aus der Mühle und verstreute dabei das Pulver auf der ganzen Arbeitsplatte. Als sein Handy, das zum Aufladen auf dem Fensterbrett lag, zu klingeln begann, warfen wir uns gegenseitig einen Blick zu, der bedeutete: Wer ist denn das schon wieder? Kann man nicht ein Mal seine Ruhe haben?
    »Lass es einfach klingeln«, sagte Dan und legte einen Papierfilter in die Kaffeemaschine ein. »Heute ist unser freier Tag.«
    Aber mir fällt es schwer, ein klingelndes Telefon einfach zu ignorieren, also stand ich mit einem Seufzer auf und ging dran. Ich erwartete einen Kollegen von ihm, der noch eine letzte Frage hatte, oder eine Computerstimme, die verkündete, dass Dan einen Luxusurlaub gewinnen könne, wenn er folgende kostenpflichtige Nummer wähle.
    Stattdessen war sie am Telefon.
    »Hallo?«, fragte ich mit der freundlichen, ruhigen, kompetenten Telefonstimme, die ich mir bei der Arbeit antrainiert habe, um Vertrauen zu erwecken und den Eindruck von Harmlosigkeit zu vermitteln.
    »Wer sind Sie denn?«, fragte die Frau selbstsicher zurück. Sie sagte nicht: Könnte ich bitte mit Soundso sprechen? , oder: Ist das nicht die Nummer von Soundso? Nein. Dass sie das Sie betonte, verriet, dass sie überrascht war, nicht Dans Stimme zu hören. Ich war nicht die Person, mit der sie gerechnet hatte. Sie hatte einen ausländischen Akzent – ganz leicht nur, aber unverkennbar. Ich bin es gewohnt, auf Stimmen zu achten. Manchmal verrät der Tonfall mehr als tausend Worte. Wenn ich gewusst hätte, dass dieser eine Anruf meine Welt für immer aus den Angeln heben würde, hätte ich aufmerksamer auf die Stimme dieser Frau geachtet und mir jede Einzelheit eingeprägt. Stattdessen wollte ich das Gespräch so schnell wie möglich beenden.
    »Wer spricht da bitte?«, sagte ich, wobei meine Stimme aus alter Gewohnheit immer noch fröhlich und freundlich klang.
    Die Frau zögerte kurz und sagte dann vorsichtig: »Könnte ich bitte mit Dan sprechen? Das ist doch seine Nummer, oder?«
    Die plötzliche Höflichkeit der Frau ärgerte mich mehr als ihre anfänglich kühle Selbstsicherheit. Mein Misstrauen war geweckt.
    »Sie haben mir immer noch nicht gesagt, wer Sie sind«, wiederholte ich.
    »Das ist auch besser so«, gab sie zurück, wobei ein leichter Hauch von Belustigung zu hören war. »Und wer sind Sie ?«
    »Ich bin seine Verlobte !«, antwortete ich mit Nachdruck, und meine Stimme war jetzt ein wenig lauter als notwendig. Dan, der gerade Tassen aus dem Schrank holte, während der Kaffee blubbernd in die Kanne tropfte, hob fragend die Augenbrauen.
    Ich hatte mich noch immer nicht an das Wort Verlobte gewöhnt und benutzte es nur selten, aber das flaue Gefühl, das sich plötzlich wie eine dunkle Vorahnung in meinem Bauch einnistete, löste höchst ungewöhnliche Besitzinstinkte in mir aus. Ich spürte, dass dieses Gespräch kein erfreuliches Ende nehmen würde.
    Nach einem langen, beklemmenden Moment des Schweigens lachte die geheimnisvolle Frau leise auf und sagte: »Ah, das erklärt einiges. Er hat Ihnen offensichtlich nichts von uns erzählt. Das ist zwar schmerzlich, aber irgendwie auch verständlich.«
    »Mit wem spreche ich, bitte?«, wollte ich erneut von ihr wissen. Allmählich verlor ich meine Gelassenheit.
    »Sie sind also seine Verlobte«, fuhr sie ungerührt fort. »Dann sollte ich Sie vielleicht fragen, was Sie sich von mir zur Hochzeit wünschen.«
    »Ich will endlich wissen, wer Sie sind«, wiederholte ich.
    Dan machte jetzt ein besorgtes Gesicht und gab mir mit einem Winken zu verstehen, dass ich ihm das Handy geben sollte.
    »Ich bin Sophie«, antwortete die Frau leichthin, und in dieser Antwort lag eine Selbstverständlichkeit, als hätte sie sich gerade als Premierminister oder als David Beckham zu erkennen gegeben, weshalb keine weiteren Erklärungen erforderlich waren.
    Sophie? Wir kannten keine Sophie. Zumindest kannte ich keine. »Sophie, und weiter?«, fragte ich ein wenig schrill. »Und was meinten Sie mit ›uns‹? Von wem hat er mir nichts erzählt?«
    »Diese Frage sollten Sie vielleicht lieber Dan stellen.« Ich konnte ihr Lächeln natürlich nicht sehen, aber ich spürte es.
    Für den Bruchteil einer Sekunde war ich
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