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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens
Autoren: Christian Endres
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an sich vorbei schweben. Dann, in schneller Abfolge, Almacyas anmutige Züge mit dem für sie so typischen Katzengrinsen sowie das bärtige Gesicht von Josephinés Vater, der ihm in jener verhängnisvollen Nacht die Augen geöffnet hatte. Er sah Nugals vom Alter zerfurchtes Gesicht an sich vorbeirauschen, gefolgt vom hysterisch lachenden Antlitz seiner selbst. Zu guter Letzt sah er noch einmal Josephinés Gesicht – diesmal allerdings nicht mehr als ein grinsender Totenschädel, in dessen leeren Augenhöhlen sich Maden und Aaskäfer wanden, welche die letzten Reste verwesenden Fleisches von den einst so adretten Wangenknochen nagten.
Visco wollte schreien und sich dem brennenden Schmerz der schauerlichen Erscheinungen entziehen, doch schaffte er weder das eine, noch das andere. Die Magie des Rituals beherrschte ihn und seinen Körper voll und ganz, als sie weite Teile des Vampirs in ihm mit höllischen Seelenqualen auszubrennen versuchte, so wie ein Heiler ein Stück vom Wundbrand befallenes Fleisch mit einem erhitzten Dolch ausbrennen würde.
In einem flüchtigen Moment der Klarheit fragte sich Visco DeRáuls fiebriger Geist, ob er jetzt den Preis für die letzten beiden Jahrhunderte voller Sünden zu zahlen hatte.
*
    Lautlos schoss der Panther aus den Schatten, die ihn nur Momente zuvor geboren hatten.
Lorn war sich darüber im Klaren, dass er nur eine einzige Chance bekommen würde. Also verschwendete er erst gar keinen Gedanken daran, es mit einem Geist oder Dämon zu tun zu haben. In diesem Augenblick war der Schatten panther gleichwertig mit einem Gegner aus Fleisch und Blut, der zwischen ihm und seiner eigentlichen Beute stand. Ein Hindernis und, wenn er nicht aufpasste, eine tödliche Gefahr.
Entschlossen legte der Nachtjäger auch noch die zweite Hand um das Heft seines Schwertes und tat einen Schritt in Richtung des Panthers , der in gespenstischer Lautlosigkeit auf ihn zustürmte. Als die Schatten katze sich ohne ein Geräusch kraftvoll vom Boden abstieß und genau auf Lorn zu segelte, drehte der Jagam sich im letzten Moment mit gehobener Waffe um die eigene Achse und trat aus der Flugbahn der stumm fauchenden Raubkatze ; seine Klinge beschrieb seitlich einen silbernen Bogen in der Düsternis und trennte dem Panther noch in der Luft den Kopf vom Körper.
Noch lange würde Lorn sich an das seltsame Gefühl eines Widerstands erinnern, der im Grunde gar keiner war, fast als dringe seine Klinge durch erhitztes Pech oder zähen Morast.
Irgendwo, vielleicht aber auch wieder nur abermals hinter Lorns Stirn, ertönte ein lang gezogener, gequälter Schrei, der sich nach ein paar Herzschlägen jedoch wie ein vom Wind davongetragener Seufzer in der Dunkelheit verlor, als irgendwo zwischen den Welten eine Tür zugeschlagen wurde.
Mit versteinerter Miene sah Lorn dabei zu, wie die Schatten des abgeschlagenen Kopfes und des Körpers sich in der Schwärze auflösten und wieder mit der allgegenwärtigen Düsternis verschmolzen. Dabei war er so auf das Schauspiel in den Schatten konzentriert, dass er gar nicht bemerkte, dass sein rechter Lederhandschuh zu qualmen begann.
Im letzten Moment schleuderte er sein Schwert von sich, ehe seine Finger unter dem Leder Schaden nehmen konnten.
Der Jagam starrte auf die Klinge am Boden. Verschlungene Tentakel aus lebendiger Schwärze krochen am Metall entlang und fraßen zischend Löcher in das Schwert, das kurz darauf ebenfalls ganz von der Dunkelheit verzehrt war.
Lorns Miene blieb unbewegt, als er unbeeindruckt nach hinten griff und eine Streitaxt mit kurzem, dunklem Schaft aus seinem Waffengehänge zog. Nachdenklich wog der Jagam die schwere Waffe ein paar Sekunden in der Hand.
Dann schritt er entschlossen in die Düsternis ...
*
    Nugal war schweißgebadet.
Das Ritual verlangte dem alten Magier alles ab und ließ ihn jedes seiner vielen Lebensjahre spüren. Aber Nugal vom Blauen Falken war bei Leibe nicht der Einzige, der jedes einzelne Jahr auf Erden spürte und unter dem Ritual zu leiden hatte.
Visco DeRáuls schlaksige Gestalt auf der Pritsche wurde von Krämpfen regelrecht durchgeschüttelt, während das Wachs der einstmals blütenweißen Kerze auf dem Schemelchen neben der Liege sich langsam von unten nach oben dunkelgrau färbte.
DeRáuls Körper zuckte, und seine Arme schlugen so unkontrolliert hin und her, dass Nugal mit verkniffenem Gesichtsausdruck einen Schritt zurückwich. Der Zauberer hoffte inbrünstig, dass das Ritual bald die erhoffte Wirkung zeigen würde – oder
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