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Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Titel: Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)
Autoren: Joseph Stiglitz
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Allgemeinheit etwas zu entlocken, das man nur als große »Geschenke« bezeichnen kann. Ökonomen haben einen Namen dafür: Rent-Seeking, was bedeutet, dass die Begünstigten Einkommen nicht als Belohnung für die Schaffung von Wohlstand erhalten, sondern dadurch, dass sie sich einen größeren Teil jenes Vermögens aneignen, das auch ohne ihr Zutun geschaffen worden wäre. (Ich werde das Konzept des Rent-Seeking in diesem Kapitel noch umfassender erläutern.) Die Reichen haben gelernt, aus den übrigen Bürgern in einer Weise Geld herauszupressen, dass diese es kaum bemerken – darin besteht ihre eigentliche Innovation.
    Jean-Baptiste Colbert, der Berater des französischen Königs Ludwig XIV., soll gesagt haben: »Die Kunst der Besteuerung besteht darin, die Gans so zu rupfen, dass man möglichst viel Federn bei möglichst wenig Geschrei erhält.« Das gilt auch für die Kunst des Rent-Seeking.
    Ganz unverblümt ausgedrückt, gibt es zwei Wege, um reich zu werden: Entweder man baut selber ein Vermögen auf, oder man nimmt anderen etwas von ihrem Vermögen weg. Ersteres bereichert die Gesellschaft. Letzteres macht sie in der Regel ärmer, denn durch das Wegnehmen wird Vermögen vernichtet. Ein Monopolist, der für sein Produkt einen zu hohen Preis verlangt, nimmt denjenigen Geld weg, denen er zu viel berechnet, und vernichtet zugleich Werte. Denn um sich seinen Monopolpreis zu sichern, muss er die Produktion einschränken.
    Leider sind auch echte Wertschöpfer oftmals nicht zufrieden mit den Erträgen, die ihre Erfindung oder ihr unternehmerischer Wagemut ihnen eingebracht haben. Einige greifen schließlich auf missbräuchliche
Praktiken wie Monopolpreisbildung oder andere Formen der Rentenerzielung zurück, um ihre Erträge zu steigern. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Eisenbahnbarone des neunzehnten Jahrhunderts erbrachten eine wichtige Dienstleistung, indem sie Bahnlinien bauten, aber ein Großteil ihres Reichtums verdankte sich ihrem politischen Einfluss: Sie erhielten große staatliche Landzuweisungen zu beiden Seiten der Trasse. Heute, mehr als hundert Jahre nach dem Siegeszug der Eisenbahnbarone, stammt in den USA das an der Spitze angehäufte Vermögen zu einem großen Teil aus Vermögenstransfers statt aus Vermögensbildung. Und eben das ist mit dafür verantwortlich, dass am unteren Ende der Einkommenspyramide gelitten wird.
    Natürlich ist die Ungleichheit in unserer Gesellschaft nicht allein auf Rent-Seeking oder darauf zurückzuführen, dass die Regierung die Spielregeln zugunsten der Begüterten beeinflusst. Märkte spielen ebenso eine Rolle, gesellschaftliche Entwicklungen (wie Diskriminierung) ebenfalls. In diesem Kapitel konzentriere ich mich auf die unzähligen Erscheinungsformen des Rent-Seeking in unserer Gesellschaft; den anderen Determinanten der Ungleichheit werde ich mich im nächsten zuwenden.

Allgemeine Grundsätze

Märkte gestalten
    Ich werde unten auf einige der Praktiken eingehen, die private Finanzinstitute anwenden, damit die Märkte nicht richtig funktionieren. Wie schon Adam Smith bemerkte, gibt es beispielsweise Anreize für Firmen, die Marktkonkurrenz zu verringern. Außerdem versuchen Firmen, strenge Gesetze gegen wettbewerbswidriges Verhalten zu verhindern beziehungsweise, wenn es solche Gesetze gibt, dafür zu sorgen, dass sie nicht konsequent angewendet werden. Geschäftsleuten geht es natürlich nicht primär
darum, das gesamtgesellschaftliche Wohl im weitesten Sinne zu steigern oder auch nur den Wettbewerb auf den Märkten zu verbessern; sie wollen schlichtweg, dass die Märkte für sie arbeiten, ihre Geschäfte noch einträglicher machen. Die Folge aber ist ein oftmals vielschichtiger Effizienzverlust einer Wirtschaft, die durch ein höheres Maß an Ungleichheit gekennzeichnet ist. Einstweilen möge ein Beispiel genügen. Auf Wettbewerbsmärkten (Märkten mit vollständiger Konkurrenz) lassen sich Gewinne, die über der normalen Kapitalverzinsung liegen, langfristig nicht aufrechterhalten. Denn wenn ein Unternehmen bei einem Verkauf höhere Gewinne erzielt, werden seine Rivalen versuchen, ihm durch Preissenkungen den Kunden abzujagen. Der intensive Wettbewerb zwischen den Firmen lässt die Preise so stark fallen, dass die (über der normalen Kapitalrendite liegenden) Gewinne auf null gedrückt werden – ein Desaster für alle, die nach satten Gewinnen streben. In betriebswirtschaftlichen Seminaren bringen wir den Studenten bei, wie man Wettbewerbsbeschränkungen
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