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Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Titel: Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)
Autoren: Joseph Stiglitz
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 – einschließlich Marktzutrittsschranken –, die mit dazu beitragen, dass der Gewinn nicht erodiert, erkennt und hervorbringt. Wie wir gleich sehen werden, ging es bei einigen der bedeutendsten ökonomischen Innovationen der letzten dreißig Jahre nicht darum, die Wirtschaft effizienter zu gestalten, sondern darum, die eigene Monopolmacht besser abzusichern oder gesetzliche Vorschriften effektiver zu umgehen, mit denen der Staat soziale Renditen und private Belohnung aneinander anpassen wollte.
    Verschleierung ist dabei ein besonders gern genutztes Instrument. Je transparenter Märkte sind, umso besser funktioniert der Wettbewerb. Banker wissen das. Aus diesem Grund haben Banken darum gekämpft, ihr lukratives Geschäft mit dem Handel von Finanzderivaten – den riskanten Produkten, die maßgeblich zum Zusammenbruch des US-Versicherungsgiganten AIG beitrugen – im Schatten des außerbörslichen Marktes abzuwickeln. 8 In diesem Markt können Kunden kaum wissen, ob ein Geschäft für sie günstig ist. Alles wird ausgehandelt, anders als in offeneren und transparenteren modernen Märkten. Und da die Verkäufer unentwegt handeln, während Käufer nur hin und wieder Geschäfte tätigen, besitzen Verkäufer mehr Informationen als Käufer, und sie nutzen diesen Informationsvorsprung zu ihrem Vorteil. Dies bedeutet, dass Verkäufer (diejenigen, die Finanzderivate auflegen, also die Banken) im Schnitt aus ihren Kunden mehr Geld herausholen können. Gut geplante,
offene Auktionen dagegen sorgen dafür, dass Güter an diejenigen gehen, die ihnen den höchsten Wert beimessen, was ein Kennzeichen von Markteffizienz ist. Es gibt öffentlich verfügbare Preise, die als Richtschnur für Entscheidungen dienen.
    Während mangelnde Transparenz zu höheren Gewinnen für die Banken führt, vermindert sie die ökonomische Leistungsfähigkeit. Ohne sachdienliche Informationen können Kapitalmärkte keine Disziplin ausüben. Geld fließt nicht dorthin, wo die Erträge am höchsten sind, oder an die Bank, die das Geld am profitabelsten verwaltet. Niemand kennt heute die tatsächliche Finanzlage einer Bank oder eines anderen Finanzinstituts  – und undurchsichtige Geschäfte mit Derivaten sind ein Grund dafür. Man hätte sich gewünscht, die jüngste Krise hätte in dieser Hinsicht Veränderungen bewirkt, doch die Banken widersetzten sich erfolgreich. So wehrten sie sich zum Beispiel gegen Forderungen nach mehr Transparenz bei Derivaten und gesetzlichen Vorschriften zur Einschränkung wettbewerbswidrigen Verhaltens. Diese Rent-Seeking-Aktivitäten brachten ihnen Zusatzgewinne in Höhe von mehreren Zehn Milliarden Dollar ein. Auch wenn sie nicht jede Schlacht gewannen, haben sie doch so oft gewonnen, dass die Probleme uns noch immer begleiten. Ende Oktober 2011 zum Beispiel ging ein großes US-Finanzinstitut auch wegen seiner komplexen Derivate pleite (die achtgrößte Insolvenz überhaupt). 9 Offensichtlich hatte der Markt diese Transaktionen nicht durchschaut, zumindest nicht rechtzeitig.

KAPITEL 3
Märkte und Ungleichheit
    Im vorherigen Kapitel habe ich die Rolle des Rent-Seeking bei der Entstehung des hohen Maßes an Ungleichheit in der amerikanischen Gesellschaft betont. Ein anderer Ansatz zur Erklärung der Ungleichheit legt den Fokus auf abstrakte Marktkräfte. Nach dieser Auffassung hatten die mittleren und unteren Einkommen einfach Pech, dass die Marktkräfte so wirkten, wie sie es taten – mit der Folge, dass die Löhne einfacher Arbeiter sanken, während die Einkommen hochqualifizierter Banker sprunghaft anstiegen. Diese Sichtweise geht von der stillschweigenden Annahme aus, dass es immer riskant sei, den Wundern, die der Markt vollbringt, ins Handwerk zu pfuschen, und dass man daher bei jedem Versuch, den Markt zu »korrigieren«, vorsichtig sein sollte.
    Ich sehe das etwas anders. Ich gehe von der Beobachtung aus, die in den Kapiteln 1 und 2 ausführlich dargelegt wurde: Andere fortgeschrittene Industrieländer mit ähnlichem technischem Entwicklungsstand und Pro-Kopf-Einkommen unterscheiden sich erheblich von den Vereinigten Staaten, was das Gleichheitsgefälle bei Einkommen vor Steuern (vor Transfers), nach Steuern und Transfers, in puncto Vermögen und ökonomischer Mobilität anbelangt. Auch in Bezug auf die längerfristigen Trends bei diesen vier Variablen heben sich die USA deutlich von diesen anderen Industrienationen ab. Warum aber unterscheiden sich scheinbar ähnliche fortgeschrittene Industrieländer so
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