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Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Titel: Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)
Autoren: Joseph Stiglitz
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Demonstranten, die dieses Schlagwort verwendeten, spielten damit auf den Titel eines Aufsatzes an, den ich für das Magazin Vanity Fair geschrieben hatte: »Von dem 1 % durch das 1 % für das 1 %«. 1 Darin hatte ich die enorme Zunahme an Ungleichheit in den Vereinigten Staaten und ein politisches System thematisiert, das den Reichsten unverhältnismäßig große Mitspracherechte einzuräumen scheint. 2
    Drei Tatbestände wurden weltweit diskutiert: die Tatsache, dass Märkte nicht so funktionieren, wie sie sollen, da sie offensichtlich weder effizient noch stabil sind; 3 die Tatsache, dass das politische System das Marktversagen nicht korrigiert hatte; die Tatsache, dass die Wirtschafts-und politischen Systeme von Grund auf unfair sind. In diesem Buch konzentriere ich mich auf das unvertretbar hohe Maß an Ungleichheit, das die Vereinigten Staaten und einige andere fortgeschrittene Industrieländer kennzeichnet, und erläutere dabei, inwiefern die genannten drei Tatbestände eng miteinander verflochten sind: Die Ungleichheit ist Ursache und Folge des Versagens des politischen Systems; sie trägt zur Instabilität unseres Wirtschaftssystems bei, die ihrerseits dazu beiträgt, dass die Ungleichheit zunimmt – ein Teufelskreis, in den wir geraten sind und aus dem wir nur durch konzertierte politische Maßnahmen, die ich nachfolgend schildere, wieder ausbrechen können. Bevor wir uns der Ungleichheit zuwenden, möchte ich jedoch den Rahmen abstecken und das allgemeine Versagen unseres Wirtschaftssystems skizzieren.

Das Versagen der Märkte
    Die Märkte haben eindeutig nicht in der Weise funktioniert, wie es ihre Anhänger behaupten. Märkte sind angeblich stabil, aber die globale Finanzkrise zeigt, dass sie sehr instabil sein können, und zwar mit verheerenden Folgen. Die Banken sind Wetten eingegangen, die, ohne staatliche Hilfe, nicht nur sie selbst, sondern die ganze Volkswirtschaft in den Abgrund gerissen hätten. Doch bei genauerer Betrachtung des Systems zeigte sich, dass dies kein Zufall war; die Banken hatten Anreize, sich so zu verhalten. Die Stärke des Marktes soll seine Effizienz sein. Aber der Markt ist ganz offensichtlich nicht effizient. Das wesentlichste ökonomische
Gesetz – das gelten muss, wenn eine Volkswirtschaft effizient sein soll – lautet, dass Nachfrage und Angebot ausgeglichen sind. Wir leben jedoch in einer Welt, in der es eine Unmenge an unerledigten Erfordernissen gibt: Investitionen, um die Mittellosen aus der Armut herauszuholen, um die Entwicklung in den weniger entwickelten Ländern in Afrika und auf anderen Kontinenten zu fördern, um die Weltwirtschaft so umzubauen, dass sie den Herausforderungen der globalen Erwärmung gewachsen ist. Gleichzeitig liegen Ressourcen in gewaltigem Umfang brach: Arbeiter und Maschinen, die nicht genutzt werden oder nicht ausgelastet sind. Arbeitslosigkeit – die Unfähigkeit des Marktes, Arbeitsplätze für alle Arbeitssuchenden bereitzustellen – ist das schlimmste Marktversagen, die größte Quelle von Ineffizienz und eine Hauptursache von Ungleichheit.
    Im März 2012 befanden sich rund 24 Millionen US-Amerikaner auf der Suche nach einer Vollzeitstelle. 4
    In den Vereinigten Staaten werfen wir Millionen von Menschen aus ihren Eigenheimen. Wir haben auf der einen Seite Leerstand und auf der anderen Obdachlose.
    Aber selbst vor der Krise hielt die amerikanische Wirtschaft nicht, was sie versprochen hatte: Obwohl das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs, mussten die meisten Bürger eine Senkung ihres Lebensstandards hinnehmen. Wie in Kapitel 1 deutlich wird, waren die Einkommen der meisten amerikanischen Familien schon vor Beginn der Rezession inflationsbereinigt niedriger als zehn Jahre zuvor. Amerika hatte eine fabelhafte Wirtschaftsmaschine erschaffen, die jedoch offensichtlich nur für diejenigen funktioniert, die sich an der Spitze der Einkommenspyramide befinden.

Es geht um viel
    Dieses Buch handelt von der Frage, weshalb das amerikanische Wirtschaftssystem aus Sicht der meisten Amerikaner versagt, warum die Ungleichheit so stark zunimmt und welche Folgen dies hat. Dabei gehe ich von der These aus, dass wir US-Bürger einen hohen Preis für unsere Ungleichheit zahlen – durch ein Wirtschaftssystem, das weniger stabil, effizient und wachstumsfähig ist, als es sein könnte, und durch Bedrohungen
für unsere Demokratie. Aber es steht sogar noch mehr auf dem Spiel: Da sich unser Wirtschaftssystem nach Ansicht der meisten Bürger offenbar
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