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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe
Autoren: dtv
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hatte ihn gereizt,
     auch dass sie recht geradlinig vorging, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Nur als sich ihre Geradlinigkeit auch
     auf ihn bezog und sie von Ehe sprach, hatte alles einen anderen Beigeschmack bekommen, und fortan hatte er sich nur bedrängt
     gefühlt.
    Als die Haustür zufiel, ging er zurück in die Küche und begann mit den Vorbereitungen fürs Abendessen. Happe würde die Einladung
     nicht ausschlagen, zumal er ihm einen guten Wein vorsetzen würde. Da sagte er nie Nein. Als er zum Telefon ins Wohnzimmer
     ging, erinnerte er sich an eine Frage, die Sylvia aufgeworfen hatte: Weshalb hatte Friedrich gerade ihm das Weingut vermacht?
     Dafür musste es einen Grund geben. Den würde er allerdings nur am Rio Douro erfahren.

|42| 3.
Abflug
    Happe hatte sich freigenommen, um Nicolas zum Flughafen zu fahren. Man hatte Verständnis dafür, dass er sich um die Belange
     seines verstorbenen Onkels kümmern wollte, und ihm zwei Wochen unbezahlten Urlaub bewilligt. Sollte es sich als notwendig
     erweisen, könne er auch drei Wochen bleiben, was ihm deutlich machte, dass sie ihn im Grunde genommen nicht brauchten. Er
     erledigte Arbeiten, für die man weder studiert noch eine Postgraduierung absolviert haben musste.
    Es war alles gesagt, das Für und Wider war nach allen Seiten hin abgewogen worden. Sylvia hatte schließlich, als Nicolas sich
     nicht von der Reise hatte abbringen lassen, ihren Widerstand aufgegeben und sich damit zufrieden gegeben, dass es ja »nur
     zum Eruieren« war, wie sie es ausgedrückt hatte. »Und bilde dir ja nicht ein, dass ich nachkomme.«
    Kurz vor dem Funkturm gerieten Happe und Nicolas auf der Stadtautobahn in einen Stau. »Im Grunde bist du zu beneiden«, sagte
     Happe in die Stille, als er für einen Moment hielt und den Motor abstellte. »Bei der Hitze ist die Stadt kaum auszuhalten.
     Allerdings soll es am Douro noch schlimmer sein, im Hochsommer steigen die Temperaturen dort bis auf 45 Grad.«
    »Was du alles weißt«, murmelte Nicolas und sah nervös auf die Uhr.
    »Heute regnet es in Porto«, fuhr Happe fort. »Ich hab’s |43| aus dem Internet. Wirklich, zu beneiden bist du, ein Weingut geerbt. Wo was ist, kommt was hin, der Teufel scheißt immer auf
     den größten Haufen. Nun reg dich nicht gleich auf«, er winkte ab, als er merkte, wie Nicolas Luft holte, um zu protestieren.
     »Ich kenne deine Einstellung. Ich frage mich tatsächlich auch, ob ich umziehen soll, in irgendeine Kleinstadt. Da kennen sich
     die Leute, der Bäcker sagt noch Guten Morgen und die Zeitungsfrau auch, du kennst die Nachbarn, hast nicht den Stress mit
     dem Krach und Gestank, kannst die Fenster aufmachen und gut schlafen. Ich könnte einen Hund halten. Ich miete oder kaufe ein
     Haus mit Garten, wo die Äpfel nicht nach EG-Norm wachsen. Gartenarbeit ist besser als Fernsehen, ich sag’s dir.«
    »Und die Kultur?«
    »Alles nur Triebverzicht, hat schon Sigmund Freud gewusst, und der Mann hatte recht. Guck dir die Leute an, alles Neurotiker.
     Ob du nun den neuesten Film siehst oder die angesagteste Band hörst, in den coolen Klubs herumstehst, wo die Leute bis zum
     Abwinken saufen, weil sie keine Braut zum Abschleppen gefunden haben ... geschenkt, Mann! Man sollte zurück aufs Land gehen,
     da kommt der Mensch her. Das Einzige, was zählt, ist Erde, besonders wenn die Finanzmärkte zusammenbrechen. Du bist wirklich
     zu beneiden. Sag mal, hast du für diesen Onkel mal irgendwas gemacht, ihm aus der Patsche geholfen? Oder ist das eine familiäre
     Arbeitsbeschaffungsmaßnahme? Weshalb vermacht einem jemand ein Weingut? Es soll vorkommen, dass eine Pflegerin einen Millionär
     beerbt, den sie bis zum Schluss gepflegt hat, weil seine Kinder sich nie haben blicken lassen. Wie wird das, wenn die Leute
     keine Kinder mehr haben, so wie wir, wer erbt den Krempel, falls man was hat? Die Stiftung für den Deutschen Schäferhund?
     Ich würde alles einem Marionettentheater vermachen, das ist die ehrlichste Art, Theater zu spielen, alles Marionetten ...
     Wir sind da nicht anders.«
    |44| »Hattest du Ärger mit Betsy?«, fragte Nicolas, der kaum zugehört hatte, aber wusste, dass Rundumschläge und Happes Fundamentalkritik
     immer mit dem Auf und Ab seiner Beziehung zu Betsy in Zusammenhang standen.
    »Vorbei, endgültig, die ist weitergeflattert«, meinte Happe auf eine Weise, dass Nicolas nicht klar war, ob er es bedauerte
     oder erleichtert war. »Die wäre am liebsten ein
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