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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe
Autoren: dtv
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hatte
     sich in Peso da Régua niedergelassen. Wer von den beiden den Plan ausgeheckt hatte, Friedrich zu ermorden, war unklar – Dona
     Madalena hüllte sich in Schweigen. Sie sprach mit niemandem, weder mit der Untersuchungsrichterin noch mit Gefängnisbeamten
     oder Mithäftlingen. »Er hat nichts gemerkt!« Das hatte sie Nicolas kaltschnäuzig ins Gesicht gesagt, als man sie abführte.
    Gonçalves hingegen hatte ausgepackt, also würde es nicht auf einen mühsamen Indizienprozess hinauslaufen. Doch der Hausmeister
     Roberto und er belasteten sich gegenseitig, |374| keiner wollte der Urheberschaft für die Anschläge auf Nicolas bezichtigt werden. Dona Firmina hatte ihren Mann vor die Tür
     gesetzt, nachdem sie von seiner Mitschuld und seinen Zuträgerdiensten für Dona Madalena erfahren hatte. Mit einer gewaltigen
     Schimpfkanonade, während der Nicolas, Otelo und Happe sich das Lachen kaum hatten verbeißen können, hatte sie Robertos Kleidung
     und seine persönlichen Gegenstände aus dem Fenster geworfen. »Mit einem Mörder, Spion und Hundevergifter werde ich nicht länger
     das Bett teilen«, hatte sie wutschnaubend von sich gegeben, wie Otelo meinte, der übersetzen musste. Dann hatte sie sich vor
     Nicolas aufgebaut. »Ich möchte gerne bleiben, ich will für Sie arbeiten. Die Quinta do Amanhecer ist mein Leben!« Nicolas
     war es sehr lieb. Roberto kam, jetzt ohne festen Wohnsitz, zu Gonçalves in Untersuchungshaft.
    Nicolas konnte sich insgeheim nicht davon frei machen, Friedrich eine Mitschuld zu geben. Er hatte sich die falsche Frau ausgesucht,
     er hatte Otelos Warnungen in den Wind geschlagen, hatte sich auf Gonçalves als Verwalter eingelassen. Und in Bezug auf das
     Erbe hätte er für eindeutige Verhältnisse sorgen müssen. Man ist für sein Leben immer selbst verantwortlich, dachte Nicolas,
     und ihm fiel sein Vater ein. Welche Mühe hatte es ihn gekostet, sich aus der familiären Umklammerung zu befreien? Aber in
     gewisser Weise bestand sie weiter – nur dass er um sein Erbe gekämpft hatte, nur deshalb konnte er es akzeptieren. Und Otelo
     war nicht sein Chef, wie es sein Vater gewesen wäre. Er war in der kurzen Zeit, die sie sich kannten, ein Freund und ein Lehrer
     geworden.
    Tagsüber liefen sie die Weinberge ab, prüften den Reifegrad der Trauben, brachten mittags und abends die gekühlten Proben
     ins Labor zu Carlos, der die chemischen Analysen vornahm. Happe versuchte sich derweil als Hilfsarbeiter. Er unterstützte
     Lourdes im Büro, half dem Kellermeister, |375| packte Kartons oder hielt Carlos mit politischen Debatten von der Arbeit ab. Happe brauchte seine Auszeit, »meine kreative
     Phase« nannte er es und dachte daran, vielleicht mit Rita zusammen eine Agentur für Weintourismus ins Leben zu rufen. Die
     beiden diskutierten ernsthaft darüber. Oder er würde sich als Architekt tatsächlich auf Kellereien und Umbauten spezialisieren.
    Das Abendessen kam selten vor 21 Uhr auf den Tisch. Dona Firmina hatte anfangs Schwierigkeiten gehabt, sich zu den Männern
     auf die Terrasse zu setzen, statt zu bedienen. Otelo war nach wie vor unruhig, Velosos Verschwinden machte ihm Sorgen. Der
     Arzt war um seine Rache gekommen. »Er ist ein Schläfer. Wenn sie ihn brauchen, wecken sie ihn. Wir haben viele seiner Verbindungen
     entdeckt, aber nicht geknackt.«
    »Die knackst du nie«, meinte Happe lakonisch. »Der eine wird befördert, der andere versetzt, der Dritte pensioniert, ein Vierter
     bekommt eine neue Identität. Du und deine Freude, ihr hängt genauso seit damals zusammen.«
    »Nur sind wir keine Verbrecher.« Otelo nahm Happe nichts übel, so nachsichtig wie mit ihm ging er mit sonst niemandem um.
     Aber Velosos Verschwinden war nicht das Einzige, was Otelo nervös machte. Er musste sich daran gewöhnen, dass Frederico, Chico
     Alemão, nicht mehr da war. Es herrschte ein anderer Ton, eine neue Generation übernahm die Quinta. Er war doppelt so alt wie
     die Männer, mit denen er arbeitete und bei Tisch saß. Aber er sah darin auch eine Chance, wie er meinte.
    »Frederico hat sich immer gegen die Kooperation mit anderen Quintas gewehrt. Sein Misstrauen seit den Erfahrungen in Frankfurt
     und im Alentejo war zu stark. Ganz in der Nähe liegt die Quinta da Carvalhosa, von einem Deutschen. Den Neubau der Quinta
     de Nápoles hast du sicher gesehen, kurz vor Folgosa links rauf, ein rechteckiger Natursteinbau. Dirk van der Niepoort, der
     Besitzer, spricht |376| Deutsch, sein
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