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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe
Autoren: dtv
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zwischen den Zähnen. Es kommen endlose Prozesse auf dich zu. Bleib hier!«
    »Woher weißt du das so genau?«, fragte Nicolas verärgert.
    »Sie sind alle gleich, die Menschen . . .« Sie zuckte mit den Achseln.
    »Vermitteln dir deine Kinder ein so schreckliches Weltbild? Wenn die jetzt schon verdorben sind, wie hältst du deinen Beruf
     dann eigentlich aus?«
    Sylvia wischte seinen Einwand beiseite. »Das tut nichts zur Sache, wichtig bist allein du.«
    Besonders empörte sie der Umstand, dass Friedrich Hollmann seinem Neffen keine Erklärung hinterlassen hatte, weshalb er ihm
     das Weingut vererbte. Dann folgte wieder eine längere Aufzählung dessen, was ihrer Meinung nach für ihn das Beste sei. Er
     kannte ihre Argumente, sie wiederholte die Forderung, dass er sich endlich seiner Verantwortung stellen und die ihm zustehende
     Rolle im väterlichen Konzern übernehmen, seiner »natürlichen Berufung« folgen solle. Sie hatte in den zwei Jahren ihrer Beziehung
     noch immer nicht begriffen, wer er war. Er war mit seiner Geduld am Ende.
    »Geh du doch nach Frankfurt, wenn dir so viel daran liegt«, sagte er provozierend.
    |37| »Wissen die Mitarbeiter dieser Quinta von der Regelung, dass sie erben werden, wenn du das Weingut nicht übernimmst?«
    Nicolas hatte keine Ahnung, und er hatte auch vergessen, den Rechtsanwalt danach zu fragen. Für ihn zählte lediglich die Entscheidung,
     ob er hinfahren und sich die Quinta ansehen sollte oder nicht. Die Frage, ob er das Weingut übernehmen sollte oder nicht,
     stand noch nicht an, doch Sylvia war längst weiter.
    »Wie soll man entscheiden, ohne eine Grundlage dafür zu haben? Die werden dich an nichts ranlassen, die werden dir nur Knüppel
     zwischen die Beine werfen, dir Schwierigkeiten machen, die lassen dich bestenfalls ins Leere laufen. Was hast du gesagt? Häuser,
     Land, 36 Hektar, und in den Kellern liegen die Fässer mit Wein. Maschinen gibt es und Fahrzeuge? Nimm dir eines von den Autos
     und gib dich damit zufrieden.«
    »Unsinn, davon war keine Rede. Es geht darum, das Weingut zu führen. Alles oder nichts, so habe ich es verstanden.«
    »Das werden sie nicht zulassen. Hatte dein Onkel keine Frau? Die wird das Testament anfechten, sie wird dich auflaufen lassen.
     Du kennst dort niemanden, du hast keine Verbündeten, man wird dich betrügen, dich hintergehen, dich beklauen. Die werden dir
     sonst was erzählen, zumal du vom Weinbau nicht den leisesten Schimmer hast.«
    »Das kann man lernen«, verteidigte sich Nicolas, »aber du verstehst es anscheinend immer noch nicht. Ich muss mir das ansehen,
     damit ich entscheiden kann.«
    »Wein ist kein Geschäft mehr. Den gibt’s heute an jeder Tankstelle, in jedem Baumarkt und kistenweise für 1,99 Euro bei Lidl
     und Aldi . . .«
    »Das wird ’ne Plörre sein . . .«
    »Die von deinem Onkel ist besser?«
    |38| »Deshalb habe ich ja die Flaschen gekauft, damit wir probieren.« Mit diesen Worten griff er zum Korkenzieher und öffnete den
vinho de Mesa
, den Tischwein, nahm zwei Gläser aus dem Küchenschrank, goss ein und begann, den Tisch zu decken.
    »Und was meint deine Mutter dazu?«
    Nicolas starrte auf die weißen Kacheln hinter dem Küchenherd, sah die Fettspritzer und dachte daran, dass er sauber machen
     müsste.
    »Nichts«, sagte er. Er fürchtete, dass Sylvia nichts Eiligeres zu tun haben würde, als sie anzurufen. »Bitte lass es, ich
     bitte dich eindringlich!«, sagte er. Dabei war ihm klar, dass sie es tun würde, obwohl sie nickte. Irgendwann hatte Sylvia
     darauf bestanden, seine Mutter kennenzulernen, was er lieber vermieden hätte, denn kaum kannte jemand seinen familiären Hintergrund,
     änderte sich das Verhalten. Allein der Gedanke, wie viel Geld in Aussicht war, ließ die meisten auf dumme Gedanken kommen
     und sich fragen, wie sie am besten in den Genuss zumindest eines Teils davon kämen und was sich damit machen ließe. Zu allem
     Unglück hatten sich Sylvia und seine Mutter sofort verstanden. »Das ist die richtige Frau für dich, bodenständig, nicht so
     spinnert, die holt dich auf den Teppich«, hatte seine Mutter gemeint, und im selben Moment war Nicolas innerlich weiter von
     Sylvia abgerückt. Konnten sie ihn sein verdammtes Leben nicht einfach allein leben lassen, statt ihm blödsinnige Ratschläge
     zu erteilen, die ausschließlich ihnen selbst galten?
    Sylvia war in Fahrt, es war auch nicht möglich, ihr ein Glas Wein einzuschenken und sie damit zu bremsen. »Wer weiß, was
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