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Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Titel: Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Autoren: Uli T. Swidler
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war Angelo di Porto, Celestes Bruder. Um ihn wieder freizubekommen, verriet dein Opa der Polizei die Verstecke von sieben Juden, die dann am 24. März 1944 zusammen mit den anderen willkürlich ausgewählten Menschen in den Ardeatinischen Höhlen hingerichtet wurden.»
    Franco hatte still zu weinen begonnen und sah auf, als Gruber nicht weiterredete. «Selbst wenn es die größte Liebe der Welt war zwischen den beiden, das kann man nicht entschuldigen.»
    Gruber atmete schwer und presste die Lippen zusammen.
    Franco stutzte. «Das ist noch nicht alles, habe ich recht?»
    Gruber nickte. Franco nahm seine Serviette, wischte sich die Tränen weg und richtete sich kerzengerade auf. «Dann will ich den Rest auch noch wissen.»
    «Das Kopfgeld für jeden Juden war kurzfristig auf 8000 Lire erhöht worden. Dein Opa hat das Geld genommen und davon nach Kriegsende den palazzino gekauft, den er dir vererbt hat.»

[zur Inhaltsübersicht]
    41.
    Am nächsten Morgen lag Franco immer noch genau so, wie er eingeschlafen war, auf der Couch in Robertos Küche. Er hatte am Abend keinen Ton mehr gesagt, und auch jetzt reagierte er weder auf den caffè , den Roberto ihm unter die Nase hielt, noch auf das frisch aufgebackene cornetto mit Schokoladenfüllung. Roberto war ratlos, was er mit ihm anfangen sollte. Er schaltete das Radio an, der Jazzsender war noch eingestellt, und hob das Keyboard auf, das Franco mit einem verzweifelten Schrei gestern gegen die Wand geschmettert hatte. Das Gehäuse hatte einen Riss, und das Display war eingedrückt, Roberto schaltete das Instrument ein und fuhr über die Tasten. Es funktionierte noch.
    «Ich muss los», sagte er und klapperte mit Antonias Autoschlüsseln, bis er sich erinnerte, dass Francos Vespa unter dem Lancia eingequetscht lag und die Vorderräder des Autos in der Luft hingen. «Bleib hier, nimm dir, was du brauchst, ich sehe mittags noch mal nach dir, va bene ?»
    Beunruhigt, aber gleichzeitig in der Gewissheit, nichts für den verwundeten Musiker tun zu können, verließ Roberto das Haus, kletterte in seine Ape, legte sich die dicke Mikrofaserdecke über die Oberschenkel und knatterte los. Schon nach wenigen Metern drehte er wieder um. Er hatte einfach kein gutes Gefühl, wenn er Franco allein zurückließ. Also wuchtete er sich den Musiker samt Decke auf den Rücken und schaffte es irgendwie, ihn in die winzige Fahrerkabine der Ape hineinzudrücken. Franco saß apathisch neben ihm. In den Kurven, und davon gab es auf der alten Via Nazionale di Bocca Trabaria viele, pendelte sein Oberkörper haltlos hin und her und erschwerte Roberto das Lenken so sehr, dass er kurz vor Urbino anhielt und Franco eine nicht gerade sanfte Ohrfeige verpasste. «Du hältst dich jetzt fest, hai capito ?»
    Franco sah ihn an wie einen Geist. «Ich werde den palazzino der jüdischen Gemeinde schenken und dann für immer von hier verschwinden.»
    «Ich bringe dich zu Toto, und da bleibst du, bis ich dich wieder abhole. Komm nicht auf die Idee abzuhauen. Ich finde dich, egal wo du hingehst.»
    Bei Toto angekommen, schob er den Musiker samt Decke durch die Bar und setzte ihn im hintersten Winkel an einen Tisch. Nachdem er dem barista eingeschärft hatte, ihn sofort zu informieren, sollte Franco weggehen wollen, trat Roberto hinaus unter die Arkaden und verbarg sich hinter einer Säule; auf keinen Fall wollte er von Cottelli gesehen werden. Er rief Rabbi Shlomo an und schilderte ihm Francos Situation in allen Einzelheiten.
    Der Rabbi, der normalerweise nicht gerne zuhörte, sondern sehr viel lieber selber redete, unterbrach ihn nicht ein einziges Mal.
    «Bring ihn zu mir», sagte er, als Roberto fertig war.
    «Sofort?»
    «In einer Stunde. Ich muss zuerst meine Tochter in die Schule fahren.»
    Roberto legte auf. Eine Stunde. Im Grunde müsste er sich jetzt hinsetzen und auf der Wache einen Bericht in den Computer hacken. Eine schreckliche Vorstellung. Allein schon das Suchen der Buchstaben auf der Tastatur machte ihn jedes Mal furchtbar nervös. Aber – wieso sollte er das eigentlich mit den eigenen Händen tun? Arbeitete er nicht immer noch für die Polizia di Stato? Und hatte die nicht, im Gegensatz zur Municipale, eine Sekretärin?
    «Roberto, was für eine Freude!», begrüßte Maria Corbucci ihn beschwingt.
    Wart’s ab, bis ich dir sage, was ich von dir will, dachte Roberto, dann ist es vorbei mit deiner guten Laune. «Ist Galdroni schon da?»
    «Kommt bald. Er hat sich vorhin von der Autobahn gemeldet.
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