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Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Titel: Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Autoren: Uli T. Swidler
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vorbeischicken, doch aus irgendeinem Grund hatte der Mailänder Lunte gerochen und hatte ihn zu einem Vieraugengespräch aufgesucht, in dem er ihm eine Liste seiner Kunden zeigte, die er im Falle seiner Verhaftung der di Finanza präsentieren wollte. Darauf standen einige Namen, denen Roberto niemals zugetraut hätte, dass sie Dope konsumierten. Unter anderen Osvaldo und Talia Del Vecchio. Roberto brauchte nicht lange, um eine Lösung zu finden. Er gab Sergio zwei Tage Zeit, sein rustico bei einem örtlichen Makler zum Verkauf anzubieten, seine Koffer zu packen und zu verschwinden. Sollte er dies nicht tun, würde Roberto den zu erwartenden Skandal in Kauf nehmen und Sergio auffliegen lassen. Noch vor Ablauf der Frist war Sergio verschwunden.
    Nachdem Malpomena wieder aus Turin zurückgekehrt war, ließ sie sich eine Weile bei niemandem blicken, bis sie überraschend Raffaella, Antonia, Talia und die Baronessa zu einem Familienessen in die Osteria L’angelo Divino einlud. Ihre Schwestern hatten keine besondere Lust zu erscheinen, konnten jedoch nicht ablehnen, weil Malpomena androhte, sonst jeglichen Kontakt zur Familie abzubrechen. Natürlich glaubten ihr die Schwestern nicht, und doch schien es um eine Angelegenheit von hoher Dringlichkeit zu gehen. Die Baronessa sagte sofort zu, für sie war es eine nette Abwechslung, der Gips hatte ihr Leben etwas eintönig werden lassen, auf vieles, was sie früher unternommen hatte, musste sie verzichten: kein Golf, kein Schwimmen, keine Sauna, keine ausgedehnten Spaziergänge, kaum noch Restaurantbesuche – wie soll man denn einem kulinarischen Essen frönen, wenn man noch nicht einmal sein Besteck auf angemessene Weise benutzen kann? Zwar war der Gips inzwischen ab, aber der Arm war steif, die Reha zeigte noch keine Wirkung. Ohne Malpomena zu fragen, bat die Baronessa Roberto, sie zu begleiten, weil sie die Strecke quer durch Urbino zu Fuß gehen wollte und sich noch nicht so sicher wie früher fühlte.
    Während des Fußmarsches plapperte sie vor sich hin, nichts Wichtiges, aber Roberto hörte ihr gerne zu. Heute pries sie die Umsicht des Fürsten Federico da Montefeltro, dem Erbauer des Palazzo Ducale, der für den unglaublich teuren Bau – mit 200000 Golddukaten war er sechsmal so teuer wie der Palazzo Strozzi in Florenz – von seinen Untertanen weder Sondersteuern noch Zusatzabgaben verlangt hatte, was die Baronessa als eine geradezu grunddemokratische Leistung bewertete in einer Zeit, die dem herrschenden Adel immer noch jede Willkür zubilligte.
    «Und weißt du, woran es lag, Roberto? Federico war kein Mann reiner aristokratischer Abstammung. Sein Großvater, Graf Guidantonio von Urbino, konnte ihn nur durch einen päpstlichen Sondersegen zum legitimen Erben machen. Er war ein adoptierter Bastard, der nicht in der Sattheit des bräsigen Adels aufgewachsen war. Er war einer, der das Gefühl hatte, er müsste für seinen Lebensunterhalt arbeiten. Er war ein hochbezahlter Feldherr, ein condottiere , ein Krieger.»
    «Der dann folgerichtig am Rande des Schlachtfelds starb», warf Roberto ein. «An Malaria.»
    «Fürsten wie ihn gibt es nicht mehr. Der Adel ist verwöhnt und ruht sich auf seinen Besitztümern aus.» Sie machte eine Pause. «Manchmal überlege ich, ob ich nicht generell meine Enkelinnen enterben soll. Damit sie lernen, mit beiden Beinen im Leben zu stehen. Damit sie einer anständigen Arbeit nachgehen.»
    «Aber Malpomena, Raffaella und Antonia arbeiten doch.»
    «Ha!», lachte die Baronessa auf. «Welcher normale Mensch kann es sich denn leisten, im 20. Semester zu studieren, ohne dem Abschluss auch nur einen Millimeter näher zu kommen? Die Ländereien für Raffaellas Agriturismo sind uralter Familienbesitz. Antonia wurde Leiterin des Palazzo Ducale, ohne dass jemand ihre Qualifikation jemals überprüft hätte. Und Talia?» Sie winkte ab. «Ohne dich, Roberto, wüssten meine vier Grazien gar nicht, wie ein hart arbeitender Mensch aussieht.»
    Roberto zog es vor zu schweigen. Selbst wenn er sich bemühte, außer der Baronessa würde er in ganz Urbino niemanden finden, der ihn als hart arbeitenden Menschen beschrieb.
    «Nimm die Stadt Urbino als Metapher für den Niedergang des Adels. Urbino wurde nach Federico immer unbedeutender. Heute gelten wir als Renaissanceperle in Mittelitalien. Bei Touristen, Reiseveranstaltern und amerikanischen Studenten.» Sie stampfte unwillig mit ihrem Stock auf den Boden. «Es schmerzt, sage ich dir. Mehr, als dass
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