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Der Pilot von der Donau

Der Pilot von der Donau

Titel: Der Pilot von der Donau
Autoren: Jules Verne
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Interesse verleihen mußte.
    Auf den Aufruf ihres Namens erschienen die Empfänger der geringern Preise vor dem Podium. Der Vorsitzende erteilte ihnen den Ritterschlag, indem er ihnen ein Diplom und je nach dem errungenen Range eine kleinere oder größere Summe einhändigte.
    Die in den Netzen enthaltenen Fische waren von der Art, wie sie jeder Fischer in der Donau fangen kann: Stichlinge, Rotaugen, Schollen, Barsche, Schleien, Hechte u. a. Walachen, Ungarn, Badener und Württemberger gehörten zu den Gewinnern der kleinern Preise.
    Der zweite Preis, siebenundsiebzig erbeutete Fische, wurde einem Deutschen Namens Weber zuerkannt, dessen Erfolg alle mit lebhaften Beifallskundgebungen begrüßten. Dieser Weber war unter seinen Vereinsgenossen schon lange gut bekannt. Bei den frühern Wettkämpfen hatte er schon oft zu den Höchstbelohnten gehört, und man erwartete, daß er auch heuer noch den ersten Preis für die größte Anzahl Fische davontragen würde.
    Doch nein; in seinem Garn fanden sich nur siebenundsiebzig Fische, siebenundsiebzig wohlgezählt und nochmals gezählt, während ein – wenn auch nicht geschickterer, so doch glücklicherer – Mitbewerber neunundneunzig in seinem Netze hatte.
    Jetzt wurde der Name dieses Meisteranglers aufgerufen. Es war der Ungar Ilia Brusch.
    Die etwas verwunderte Versammlung spendete keinen Beifall, als sie den Namen des den Mitgliedern des Donaubundes noch unbekannten Ungars hörte, der dem Vereine erst ganz kürzlich beigetreten war.
    Da der Preisträger nicht geglaubt hatte, sich zeigen zu müssen, um einen Preis von hundert Gulden zu empfangen, nahm der Vorsitzende ohne Zögern die Liste der Gewinner der Gewichtspreise vor. Die Preisträger waren Rumänen, Slawen und Österreicher. Als der Name dessen aufgerufen wurde, dem der zweite Preis zugefallen war, ertönte ein Beifall, als wenn es der des Deutschen Weber gewesen wäre. Herr Ivetozar, einer der Beisitzer, triumphierte mit einer dreiundeinhalbpfündigen Karausche, die einem minder gewandten und weniger kaltblütigen Angler gewiß entgangen wäre. Ivetozar war eines der bekanntesten tätigsten und dem Bunde ergebensten Mitglieder, und er war es auch, der sich in der letzten Zeit die größte Zahl Belohnungen erworben hatte. Eben deshalb wurde ihm jetzt auch der einstimmigste Beifall zuteil.
    Nun stand nur noch die Erklärung des ersten Preises dieser Abteilung aus, und alle Herzen klopften lauter in Erwartung des Namens des Preisträgers.
    Wie groß war aber das Erstaunen, ja noch mehr als Erstaunen, die allgemeine Verblüffung, als der Vorsitzende Miklesko mit kaum unterdrücktem Erzittern der Stimme anhub:
    »Erster Gewichts-Preisträger für einen Hecht von siebzehn Pfund der Ungar Ilia Brusch!«
    In der Versammlung herrschte lautlose Stille. Die schon zum Klatschen bereiten Hände rührten sich nicht, wer den Sieger hatte beglückwünschen wollen, blieb mäuschenstill. Das lebhafte Gefühl von Neugier hatte alle gelähmt.
    Würde Ilia Brusch nun endlich erscheinen? Würde er jetzt hervortreten, vom Präsidenten Miklesko die Ehrendiplome und die begleitenden zweihundert Gulden in Empfang zu nehmen?
    Plötzlich lief ein Murmeln durch die Gesellschaft.
    Einer der Anwesenden, der sich bisher abseits gehalten hatte, ging auf das Podium zu.
    Es war das der Ungar Ilia Brusch.
    Nach seinem sorgfältig rasierten und mit dichtem, schwarzem Haar umrahmten Gesicht zu urteilen, hatte Ilia Brusch das dreißigste Jahr noch nicht überschritten. Von etwas übermittlerm Wuchs, breitschultrig und mit tüchtig entwickelten Gliedern, mußte er sich einer nicht gewöhnlichen Kraft erfreuen. Es überraschte tatsächlich, daß ein junger Mann von diesem Gusse sich der friedlichen Zerstreuung des Angelns und das so gründlich gewidmet hatte, daß er diese schwierige Kunst wirklich beherrschte, wovon ja sein Erfolg bei dem Wettbewerb einen unanfechtbaren Beweis geliefert hatte.
    Eine weitere auffallende Eigentümlichkeit Ilia Bruschs bestand darin, daß er offenbar an irgendwelcher Sehstörung zu leiden schien. Große dunkle Brillengläser verbargen seine Augen, deren Farbe zu erkennen ganz unmöglich gewesen wäre. Das Sehvermögen ist aber einer der wichtigsten Sinne für den, der den oft kaum wahrnehmbaren Bewegungen des Schwimmers folgen muß, und scharfe Augen braucht, wer über die vielfachen Listen des Fisches siegen will.
    Doch ob man nun darüber erstaunte oder nicht, hier mußte man sich den Tatsachen fügen. Die
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