Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay
Autoren: Vikram Chandra
Vom Netzwerk:
zeigen, was wir hier mit Taporis 621 wie dir machen, Sailesh.« Sartaj führte ihn aus dem Zimmer und durch eine Tür in den Verhörraum und riß ihn bei jedem Schritt hoch. Hinten in dem Raum saß Katekar mit einem anderen Polizisten neben einer Reihe am Boden kauernder, gefesselter Männer.
    »Katekar!« rief Sartaj.
    »Sir?«
    »Welcher ist der härteste Bursche von denen da?«
    »Der hier, Sir, jedenfalls hält er sich dafür. Narain Swami, ein Taschendieb.«
    Sartaj schüttelte Sailesh durch, daß sein Kopf hin und her schlenkerte. »Der große Mann hier glaubt, er ist härter als wir alle zusammen. Zeigen Sie's ihm. Geben Sie Narain Swami Dum 184 , und zeigen Sie's dem großen Mann.«
    Narain Swami duckte sich, aber Katekar zog ihn hoch und bog ihn nach vorn. Swami sträubte sich, und seine Ketten klirrten, doch als der erste Schlag mit flacher Hand auf seinen Rücken klatschte, begriff er. Beim zweiten heulte er sehr überzeugend auf, und nach dem dritten und vierten schluchzte er: »Bitte, Saab, bitte, hören Sie auf!« Nach dem sechsten weinte Sailesh dicke Tränen. Er wandte das Gesicht ab, doch Sartaj faßte ihn am Kinn und drehte es wieder herum.
    »Willst du noch mehr sehen, Sailesh? Weißt du, was wir als nächstes machen?« Sartaj zeigte auf die dicke weiße Stange, die knapp unter der Decke von Wand zu Wand lief. »Wir hängen Swami an die Ghori 228 . Wir binden ihn an Händen und Füßen an der Stange fest und geben's ihm mit dem Patta 486 . Zeigen Sie ihm den Patta, Katekar.«
    Beim Anblick des dicken Riemens flüsterte Sailesh: »Nein, nicht.«
    »Wie?«
    »Bitte nicht.«
    »Willst du hier landen, Sailesh? Wie Narain Swami?«
    »Nein.«
    »Wie war das?«
    »Nein, Saab. Bitte nicht.«
    »Du wirst aber hier landen, wenn du so weitermachst.«
    Sartaj drehte ihn an den Schultern herum und führte ihn zur Tür. Narain Swami stand noch immer vorgebeugt da und schickte ein Grinsen von unten herauf. Draußen saß Sailesh dann mit einer Colaflasche zwischen den Knien auf einem Metallstuhl und hörte Sartaj schweigend zu. Er nahm ab und zu einen Schluck, und Sartaj erzählte ihm, wie Leute vom Schlage Narain Swamis endeten: verprügelt, ausgebrannt, drogenabhängig, immer wieder im Gefängnis, erschöpft, kaputt und schließlich tot. Und alles nur, weil sie nicht in die Schule gegangen seien und ihrer Mutter nicht gehorcht hätten.
    »Ich geh wieder in die Schule«, sagte Sailesh.
    »Versprochen?«
    »Versprochen.« Sailesh faßte sich an den Hals.
    »Halte dein Versprechen, sonst komm ich dich holen«, sagte Sartaj. »Ich hasse Leute, die ihre Versprechen nicht halten.«
    Sailesh nickte, und Sartaj führte ihn zu seinen Eltern hinaus. Am Tor hielt die Mutter inne. Sie trat nahe an Sartaj heran, hob die geschlossenen Fäuste und öffnete sie. In der rechten Hand hielt sie das zerknitterte Ende ihres Pallu, in der linken einen sauber gefalteten Hundert-Rupien-Schein.
    »Saab«, sagte sie.
    »Nein«, sagte Sartaj. »Nein.«
    Sie hatte geöltes Haar und gerötete Augen. Sie lächelte kaum merklich, hob die Hände noch höher und öffnete sie noch weiter.
    »Nein.« Sartaj drehte sich um und ging davon.

    Katekar fuhr mit müheloser Eleganz und nutzte geschickt jede Lücke im Verkehr. Sartaj schob seinen Sitz zurück und schaute schläfrig zu, wie er schaltete und mit dem Gypsy zentimetergenau zwischen Lastwagen und Autos schlüpfte. Sartaj regte das längst nicht mehr auf. Er rechnete zwar noch immer jeden Augenblick mit einem Unfall, aber von Katekar hatte er gelernt, sich nicht darum zu kümmern. Vertrauen war alles. Man fuhr, und immer bremste jemand plötzlich, und immer war der andere der Gaandu. Katekar kratzte sich zwischen den Beinen, knurrte »He, Bhenchod 084 « und zwang den Fahrer eines Doppeldeckerbusses mit gebieterischem Blick anzuhalten. Sie bogen nach links ab, und Sartaj mußte grinsen, als Katekar mit großspurigem Schwung in die Kurve fuhr.
    »Sagen Sie, Katekar«, fragte er, »wer ist Ihr Lieblingsschauspieler?«
    »Ein Filmschauspieler?«
    »Was sonst?«
    Katekar wurde verlegen. »Wenn ich mir überhaupt mal einen Film anschaue ...« Er spielte mit dem Schalthebel und wischte ein Stäubchen von der Windschutzscheibe. »Wenn im Fernsehen mal ein Film kommt ...« Im Fernsehen liefen eigentlich ständig Filme. »Dev Anand 156 sehe ich gern.«
    »Dev Anand? Im Ernst?«
    »Ja, Sir.«
    »Der ist auch mein Favorit.« Sartaj mochte die alten Schwarzweißfilme, in denen Dev Anand in einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher