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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay
Autoren: Vikram Chandra
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sich auf, rieb sich das Gesicht, schüttelte heftig den Kopf und zog seine Schuhe wieder an. Dann marschierte er in den vorderen Raum, wo sich PSI Kamble mit kreisender Bewegung den Bauch rieb. Er schien hochzufrieden.
    »Hat's geschmeckt?« fragte Sartaj.
    »Ein absolut erstklassiges Biryani aus dem Laziz, diesem neuen Restaurant in der S. T. Road«, sagte Kamble. »Kommt in einem schicken Tontopf. Wir werden immer vornehmer hier in Kailashpada.« Kamble straffte sich und beugte sich vor. »Hören Sie: Sie wissen doch von dem Zusammenstoß zwischen diesen beiden Gaandus und dem Sondereinsatzkommando gestern in Bhayander?«
    »Gaitonde-Gang, ja?«
    »Und Sie wissen auch, daß der Krieg zwischen der Gaitonde-Gang und der Suleiman-Isa-Gang wieder eskaliert? Die S-Company 133 hat Supari 608 dafür gezahlt, daß die beiden umgelegt werden, hab ich gehört. Zwanzig Lakhs 360 sollen die Jungs vom Sondereinsatzkommando bekommen haben.«
    »Dann sollten Sie zu denen gehen.«
    »Was glauben Sie, worauf ich spare, Boß? Da reinzukommen kostet, soviel ich weiß, fünfundzwanzig Lakhs.«
    »Ganz schön teuer.«
    »Allerdings.« Kambles Gesicht glühte. »Aber mit Geld erreicht man alles, mein Freund, und um Geld zu machen, muß man Geld ausgeben.«
    Sartaj nickte, und Kamble vertiefte sich wieder in sein Register. Sartaj hatte es einst von einem wegen Mordes verurteilten Slumlord gehört, das bittere Geheimnis des Lebens in der Metropole: Paisa phek, tamasha 615 dekh 466 . Sie waren einmal buchstäblich aufeinandergeprallt, der Slumlord und er, als sie in einem Basti 063 in Andheri um die Ecke bogen. Sie hatten einander sofort erkannt, obwohl Sartaj Zivilkleidung trug und der Slumlord jetzt einen Bauch hatte. »Are 028 , Bahzad Hussain«, hatte Sartaj gesagt, »sollten Sie nicht fünfzehn Jahre dafür absitzen, daß Sie Anwar Yeda 674 kaltgemacht haben?« Bahzad Hussain hatte nervös gelacht und gesagt: »Sie wissen ja, wie das ist, Inspektor-saab, ich hatte Hafturlaub, und jetzt steht in meiner Akte, daß ich mich nach Bahrain abgesetzt habe, paisa phek, tamasha dekh.« Genauso war es - wenn man Geld hinauszuwerfen hatte, konnte man sich das Spektakel ansehen, die fröhlich am Trapez schwingenden Richter, die durch Reifen springenden Politiker, die lustigen Polizisten mit ihren roten Pappnasen. Bahzad Hussain war so vernünftig gewesen, anstandslos mit aufs Revier zu kommen. Er wirkte äußerst selbstbewußt und wollte nichts weiter als eine Tasse Tee und die Möglichkeit, ein paar Anrufe zu tätigen. Er machte Witze und lachte viel. Ja, er hatte sein Geld hinausgeworfen und sich das Spektakel angesehen. Diese ganzen Unannehmlichkeiten mit der Polizei waren für ihn nichts weiter als ein bißchen verlorene Zeit. Paisa phek, tamasha dekh.
    Vor Kambles Schreibtisch stand inzwischen eine Familie, Mutter, Vater und ein Sohn in kurzer blauer Uniformhose. Der Vater, ein Schneider, war am frühen Nachmittag noch einmal aus seinem Laden nach Hause gegangen, um einen vergessenen Anzugstoff zu holen. Er hatte eine Abkürzung genommen und gesehen, wie sein Sohn, der um diese Zeit in der Schule hätte sein sollen, mit einigen nichtsnutzigen Straßenkindern an der Fabrikmauer Murmeln spielte.
    Die Mutter führte das Wort. »Ich schlage ihn, Saab, sein Vater schreit ihn an, aber nichts hilft. Die Lehrer haben's aufgegeben. Er schreit zurück, unser Sohn. Er hält sich für besonders schlau. Er glaubt, er braucht keine Schule. Ich hab's satt, Saab. Behalten Sie ihn hier, stecken Sie ihn ins Gefängnis.« Sie machte eine Geste, als wollte sie ihre Hände leeren, und tupfte sich mit dem Ende ihres blauen Pallu 469 die Augen. Beim Anblick ihrer Hände und der muskulösen Arme war sich Sartaj sicher, daß sie als Dienstmädchen für die Angestelltenfrauen in der Shiva-Wohnsiedlung Geschirr und Wäsche wusch. Der Sohn hielt den Kopf gesenkt und rieb einen Schuh am anderen.
    Sartaj krümmte den Finger. »Komm mal her.« Der Junge trottete zu ihm. »Wie heißt du?«
    »Sailesh.« Er war ungefähr dreizehn, wirkte recht gescheit und hatte eine modisch-lässige Frisur und blitzend schwarze Augen.
    »Hallo, Sailesh.«
    »Hallo.«
    Sartaj schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, daß es knallte. Sailesh zuckte zusammen und wich zurück. Sartaj packte ihn am Kragen und zerrte ihn um den Schreibtisch herum.
    »Du hältst dich wohl für einen harten Burschen, was, Sailesh? So hart, daß du vor niemandem Angst hast, was, Sailesh? Dann werd ich dir mal
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