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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay
Autoren: Vikram Chandra
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Bauarbeiten.«
    »Das ist ja absurd, Sir. Er ist doch von sich aus gekommen. Wie oft war er hier bei Ihnen! Das haben wir alle gesehen. Er hat die Arbeit doch gern gemacht.«
    »Nicht die Mauer hier. Bei mir zu Hause.«
    »Bei Ihnen?«
    »Das Dach mußte dringend repariert werden. Es ist ein sehr altes Haus, du kennst es ja. Der Stammsitz meiner Familie sozusagen. Ein neues Badezimmer war auch fällig. Mamta 395 und meine Enkelinnen sind wieder bei uns eingezogen, wie du weißt. Deshalb.«
    »Und?«
    »Mathija hat die Arbeiten ausgeführt, und zwar sehr ordentlich. Aber jetzt behauptet er, ich hätte ihm gedroht, und er hätte eine Bandaufnahme davon.«
    »Sir?«
    »Ich habe ihn einmal angerufen und ihm gesagt, er soll sich beeilen, damit er vor dem Monsunregen fertig wird. Vielleicht war ich etwas ungehalten.«
    »Was soll's, Sir? Soll er doch vor Gericht gehen. Soll er tun, was er nicht lassen kann. Er wird schon sehen, was wir dann mit ihm machen. Auf seinen Baustellen, in seinen Büros ...«
    »Das Ganze ist nur ein Vorwand, Sartaj. Die wollen mich damit unter Druck setzen und mir klarmachen, daß ich unerwünscht bin. Sie begnügen sich nicht damit, mich zu versetzen, sie wollen mich ganz loswerden.«
    »Sie werden sich zu wehren wissen, Sir.«
    »Ja.« Niemand beherrschte das politische Spiel so wie Parulkar, zumindest niemand, den Sartaj kannte. Er war ein Meister der Kunst, vielseitige Beziehungen zu knüpfen, Hintertüren zu benutzen, Kontakte zu Staatsdienern und Wirtschaftsführern zu pflegen und sie bei Laune zu halten, Firmen ihre Profite zu lassen und ihnen zum beiderseitigen Nutzen einen vertrauten Umgang mit Polizeibeamten zu ermöglichen, fein abgewogene Gefälligkeiten zu erweisen und im Gedächtnis zu behalten, Absprachen zu treffen und sie wieder zu vergessen. Er liebte diesen subtilen Sport, er war einfach der Beste. Unfaßbar, wie müde er wirkte. Sein Kragen war schlaff, und sein Bauch wirkte nicht mehr munter und fröhlich, sondern nur noch schwer von Bedauern. Er stürzte ein weiteres Glas Wasser hinunter. »Du solltest reingehen, Sartaj. Die warten auf dich.«
    »Tut mir leid, Sir.«
    »Ich weiß.«
    »Sir.« Er hätte noch etwas sagen sollen, etwas Dankbares und irgendwie Abschließendes darüber, was Parulkar ihm bedeutete, etwas über die gemeinsamen Jahre, die Fälle, die sie gelöst, und andere, die sie aufgegeben hatten, die Tricks, die er von ihm gelernt hatte, die Kunst, als Polizist in der Stadt zu überleben, aber er brachte nichts heraus und konnte nur Haltung annehmen. Parulkar nickte. Sartaj war sich sicher, daß er verstand.
    Bevor er den Raum betrat, überprüfte Sartaj den straffen Sitz seines Hemdes und strich sich über den Turban. Dann ging er hinein und erzählte den Reportern etwas über mehr Polizeipräsenz auf mehr Straßen, über kommunale Interaktion, über strenge Überwachung und Transparenz, darüber, wie alles besser werden würde.

    Zum Mittagessen ließ sich Sartaj einen Uttapam aus dem Restaurant Udipi 645 nebenan bringen. Die scharfen Chilis wirkten belebend, doch als er aufgegessen hatte, kam er nicht mehr von seinem Stuhl hoch. Es war eine ganz leichte Mahlzeit gewesen, aber er war fix und fertig, fühlte sich wie gelähmt. Er schaffte es kaum noch, die Bank von der Wand herunterzuklappen, seine Schuhe auszuziehen und sich auf dem Holz auszustrecken. Er verschränkte die Arme. Ein tiefer Atemzug, dann noch einer, und die Kante, die ihm in den Schenkel schnitt, wurde weich, er versank in einer schwebenden Schläfrigkeit, in der er Einzelheiten vergessen konnte, und die Welt löste sich in einem weißen Nebel auf. Doch dann riß ihn eine starke Unterströmung mit, er wurde plötzlich wütend und wußte wieder, was der Grund seiner Unruhe war. Alle Triumphe Parulkars würden ausgelöscht werden, würden sinnlos werden, wenn er aufgrund einer Intrige in Ungnade fiel. Und wenn Parulkar nicht mehr da war, was geschah dann mit ihm, Sartaj? Was würde aus ihm werden? Er hatte schon seit einiger Zeit das Gefühl, im Leben nichts erreicht zu haben. Er war über Vierzig, ein geschiedener Polizei-Inspektor mit mittelmäßigen beruflichen Perspektiven. Andere aus seinem Jahrgang hatten ihn überholt, während er selbst sich abstrampelte und auf der Stelle trat. Er blickte in die Zukunft und sah, daß er es nicht so weit bringen würde wie sein Vater und schon gar nicht so weit wie der gefürchtete Parulkar. Mit mir ist nichts mehr los, dachte er trübselig. Er setzte
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