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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt
Autoren: Philip Kerr
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wenn die Idee logisch sein soll. Auf der Suche nach Bedeutungen müssen wir empirisch vorgehen, was Tatsachen anbelangt, oder analytisch, was die Beziehungen von Ideen untereinander angeht. Aber Tatsachen sind, was sie sind, und brauchen keine logische Beziehung zueinander erkennen zu lassen: Dass Tatsachen Tatsachen sind, ist immer logisch wahr, unabhängig von rationaler Betrachtung. Da jedoch auch Ideen unabhängig von rationaler Betrachtung als Ideen existieren können, wird verständlich, wieso allein hier, auf der Ebene bloßen Verstehens, die Möglichkeit besteht, Philosophie zu 556

    betreiben und wissenschaftlich festzustellen, was sich logisch sagen lässt und was nicht. Ebenso ergibt sich, da das Gegenteil einer jeden Tatsache, ungeachtet aller Logik oder Unlogik, als Idee existieren kann, die paradoxe Einsicht, dass jeder philosophische Tatsachenbeweis unmöglich ist.

    Aus: Der empirische Mensch

    Man muss nur von zwei philosophischen Grundsätzen überzeugt sein, um sich von allen vulgären Credos, so charismatisch sie auch scheinen mögen, befreit zu finden: Erstens, dass an einem Gegenstand als solchem nichts ist, was uns befähigt, irgendetwas über diesen Gegenstand Hinausgehendes zu sagen, und zweitens, dass uns nichts befähigt, irgendetwas über einen Gegenstand zu sagen, was über die unmittelbare Erfahrungserkenntnis hinausgeht. Ich sage es noch einmal: Wenn jeder Mensch sich die Zeit nimmt, sich von diesen beiden philosophischen Grundsätzen zu überzeugen, und wenn er sein Leben entsprechend lebt, was wir« ein empirischer Mensch sein
    »nennen können, dann wird man sehen, wie alle Fesseln gemeiner Ignoranz gesprengt werden. So wirft die moderne Philosophie das Licht der Wissenschaft noch in die dunkelsten Winkel der menschlichen Psyche.

    Aus: Der empirische Mensch

    Wir lesen viel von organisierten Bücherverbrennungen durch SA-Trupps. Tatsächlich jedoch waren es die Christen, die als erste organisierte Bücherverbrennungen durchführten, um ihren Glauben zu verbreiten [s. Apostel 19; 19-20]. Heute fragte mich einer meiner Studenten, ob ich glaubte, dass es je richtig sein könne, ein Buch zu verbrennen, und als Argument für seine Meinung, dass nein, führte er Heines »Almansor« an. Ich 557

    erklärte ihm, man sollte jedes philosophische Werk, das irgendwelche erfahrungsgemäßen oder abstrakten Argumentationen über Tatsachen, die menschliche Existenz und Mathematik enthalte, den Flammen übergeben, denn ein solches Werk könne nichts enthalten als sophistische Täuschungen. Mit angstgeweiteten Augen flüsterte er mir zu, ich spräche wohl von Hitlers Mein Kampf und solle vorsichtig sein, was ich sagte. Ich brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass ich in Wahrheit die Bibel gemeint hatte.

    Aus: Wiener Tagebuch, 1936
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    NACHWORT
    Dieses Buch ist ein fiktiver Roman, der jedoch auf einem realen historischen Ereignis basiert: Der Konferenz der Großen Drei in Teheran im Jahr 1943. Die Fotos, die Stalin, Churchill und Roosevelt – »die Großen Drei«– in Teheran und später dann bei der Konferenz von Jalta zeigen, sind geradezu Sinnbilder des Zweiten Weltkriegs. Die Konferenz der Siegermächte 1945 in Potsdam erlebte Roosevelt nicht mehr. Aber die meisten zentralen Fragen waren bereits in Teheran entschieden worden.
    Einige Namen, Charaktere, Tätigkeiten, Organisationen, Orte, Ereignisse und Zwischenfälle sind der Phantasie des Autors entsprungen, andere hingegen nicht. Viele obskure Dinge, die in diesem Buch vorkommen, sind historische Tatsachen. Vielleicht amüsiert es den Leser, wenn ich hier noch einmal kurz darauf eingehe.

    Darum also, in willkürlicher Reihenfolge:
    • Vize-Außenminister Sumner Welles trat im September 1943
    zurück, nachdem ihm ein »Akt gravierender moralischer Verderbtheit mit einem Negerschaffner« angelastet worden war.
    • Während Roosevelts Schiffsreise nach Nordafrika feuerte die USS Willie D. Porter einen Torpedo auf die USS Iowa ab.
    Der Präsident und der Vereinigte Generalstab entgingen nur knapp der Versenkung durch ihren eigenen Begleitzerstörer.
    1943 wurde die Möglichkeit geheimer Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion wie auch zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten aktiv sondiert. Der ehemalige deutsche Reichskanzler und damalige Türkeibotschafter Franz von Papen traf sich tatsächlich am 4.
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    Oktober in Ankara mit einem »geheimnisvollen Emissär«. Laut von Papens Memoirenwerk Der
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