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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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meine?«
    Der Elb nickte, zapfte. »Das bedeutet, dass Sie nicht über die Angelegenheit sprechen dürfen?«
    »So sieht’s mal aus.« Jorge begutachtete das dritte Bier mit dem prüfenden Blick des Kenners, bevor er einen geziert kleinen Schluck abtrank. »Das erste war gut und das zweite auch. Aber dieses hier ist köstlich!« Er schluckte den Humpen ex. »In der Ebene von Torr lagert ein Heer aus Lyktien«, sagte er anschließend und rülpste donnernd. »Angeblich sind dort während des letzten Zenits rund ein Dutzend Orkkrieger verschwunden. Ist selbstverständlich streng geheim.«
    »Was Sie nicht sagen.« Der Elb nickte, zapfte.
    »Wenn ich’s dir sage! Man hat sie mit aufgerissenen Brustkörben wiedergefunden.« Jorge hob die Hand vor den Mund und flüsterte verschwörerisch: »Jemand hat ihnen die Herzen rausgerissen und sich damit aus dem Staub gemacht. Verstehst du? Mit ihren Herzen, Mann!« Er riss dem Elb das nächste Bier aus der Hand und fügte etwas lauter hinzu: »Und weil es der Moral einer Truppe nicht gerade guttut, wenn die Soldaten jeden Morgen einen weiteren ihrer Kumpels zerfleddert vor den Toren ihres Lagers auffinden, hat das Maul mich und den guten, alten M.H. aus dem Urlaub gescheucht, um dort mal nach dem Rechten zu sehen. Ohne jedes Aufsehen, inkognito, unter dem Siegel der Verschwiegenheit sozusagen.«
    Mittlerweile hatten mehrere Fluggäste an Tischen ganz in der Nähe von ihren Beschäftigungen aufgesehen und verfolgten mit unverhohlenem Interesse, was Jorge dem Barmann unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraute.
    »Und jetzt weißt du, weshalb ich es so eilig habe, dass ich eins von diesen verfluchten Flugeiern besteigen musste«, fuhr Jorge fort und wischte sich Bierschaum von der Oberlippe. »Die Jungs vom IAIT müssen mal wieder die Kastanien aus dem Feuer holen, so sieht’s aus. M.H. ist auch schon auf dem Weg, angeblich aber nicht auf dem Luftweg, der schlaue Hund.« Er trank, warf einen kurzen Blick zu einem der Fenster hinüber, sah rasch wieder weg. Er hatte noch längst nicht genug getrunken. »Na ja, wie auch immer. Aus diesem Grund wird der Pilot jedenfalls bei Torrlem eine Zwischenlandung einlegen und mich raushüpfen lassen. Noch ein Bier! Zapf schneller!«
    Der Elb erstarrte in der Bewegung. »Wir landen in der Grabstadt?«
    Eiben waren von Natur aus blass, aber dieser Kerl sah aus, als wäre plötzlich sämtliches Blut aus seinem dürren Körper gewichen.
    »Schätze, ja«, sagte Jorge. »Unter uns, Elb: Ich bin auch nicht gerade scharf darauf, dort auszusteigen, aber was soll ich machen? Es ist mein verdammter Beruf. Weißt du, was ein Beruf ist? Klar, du hast ja selbst einen. Du schenkst in einer fliegenden Holzkapsel alkoholische Getränke aus. Eine gute, erfüllende Verpflichtung. Noch vier Bier, bitte.«
    Jorge konnte sehen, wie der Elb schluckte, sein Adamsapfel hob sich, verweilte, sank zurück.
    »Sie … Sie sind … auf dem Weg in die Stadt des Todes?«, brachte er hervor.
    Jorge nickte. »So ist es. Jetzt zapf schon, Junge, zapf das Bier! Wie heißt du eigentlich?«
    Der Elb starrte ihn weiter an, dann schüttelte er den Kopf, als erwachte er aus einem schlechten Traum. »Conetto«, sagte er. »Ich, äh, ich heiße Conetto.«
    »Conetto«, murmelte Jorge. »Ein Scheißname, wenn du mich fragst. Egal. Sag, Conetto, was hat dich eigentlich hierher, in den Himmel verschlagen? Verzeih, wenn ich frage, aber die meisten Eiben, die ich bisher kennengelernt habe, arbeiteten in Gefilden, die deutlich tiefer lagen … ganz tief unten, wenn du verstehst, was ich meine?«
    Jorge fand, dass er es gewitzt umschifft hatte, Conetto direkt zu fragen, weshalb er nicht auf den Strich ging. In Foggats Pfuhl, dem Viertel der dunklen Freuden von Nophelet, wo er sich zuletzt aus beruflichen Gründen des Öfteren aufgehalten hatte, verkaufte quasi jeder männliche Elb seinen Körper für ein paar Kaunaps. Erst als er Conettos verständnislos erhobene Brauen sah, dämmerte Jorge, dass Eibenjünglinge in anderen Gegenden selbstredend auch jeder anderen Beschäftigung nachgehen konnten.
    Der Elb fixierte Jorge mit graufleckigen Augen, in denen winzige tote Fische zu treiben schienen, den Bauch nach oben. Plötzlich lächelte er, sein Gesicht verzog sich zu einem so breiten Grinsen, dass sein Unterkiefer Gefahr lief, sich auszuklinken und am Hals abwärtszurutschen.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er. »Ich war mit den Gedanken kurz woanders. Tut mir leid. Aber wissen Sie, ich
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