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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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sich zu kratzen.
    »Ich wollte es dir nicht sagen, weil ich wusste, dass Henan vor… seiner Verteilung ein Sayakh gewesen ist. Es tut mir Leid.«
    »Ja«, sagte Latil. »Nein. Das braucht dir nicht Leid zu tun. Du hast ihn nicht verteilt.«
    Die freundlichen Sterne sahen zu den Fenstern herein, auch wenn die Fenster nur Bildschirme waren.
    »Ich bin sehr stolz darauf, von den Sayakh gebaut worden zu sein. Sie leisten immer gute Arbeit.«
    Das Schiff klang, als sei es bemüht, Latil aufzuheitern, oder als wolle es eine Scharte auswetzen. Latil war plötzlich sehr müde.
    »Ich weiß«, sagte sie.
    Es folgte eine lange Pause. Sie wusste, sie würde wieder träumen.
    »Möchtest du mit Henan sprechen?«
    Latil wurde zornig. Was dachte sich dieses Schiff eigentlich? Sie wollte nicht mit einem Mondo reden, das Henans Psychogramm evolvierte. Erst als sie sich daran erinnerte, dass das ›Schiff‹ auch nur ein synthetisches Charaktermodell des Schiffsintellekts war, verrauchte ihr Zorn. Das Schiff musste noch sehr jung sein.
    »Nein, ich möchte nicht mit ihm reden.«
    »Dann ist gut«, sagte das Schiff.
    Latil beruhigte sich durch ein paar tiefe Atemzüge. Es war alles geregelt. Wenn sie wirklich verrückt wurde, wäre immer noch das Schiff da. Bis ans Ende der Welt. Bis zum Opal.
    »Ich heiße jetzt übrigens!!! Glaucopsyche«, sagte das Schiff. »Gefällt dir das?« Immer noch um Heiterkeit bemüht.
    »Ja«, sagte Latil, »aber Passage englouti hat mir auch gut gefallen.«
    Das Schiff schwieg. Es musste wirklich sehr jung sein. Es experimentierte noch mit seinem Namen.
     
    Latil dachte an Henan.
    Die Sayakh waren immer Händler, Handwerker und Diebe gewesen, sowohl geistigen als auch materiellen Eigentums, das erklärte auch die Qualität ihrer Produkte, vor allem ihrer Raumschiffe. Latil hatte damals nach gestohlenen Bewusstseinsplatten gesucht und die Spur hatte zu dem Sayakh-Asteroiden Tobayan und zum Nest Henans geführt. Auch das Experiment, das auf den Bewusstseinsplatten festgehalten worden war, hatte mit Raumschiffbau zu tun gehabt, vor allem mit esoterischen Betrachtungen über das Tunneln, und Latil war sicher gewesen, auf der richtigen Spur zu sein. Henan war damals gerade in Hochzeitsstimmung versetzt worden, seine Haut straffte sich, er wurde kräftiger, seine Stimme wurde tiefer und seine Hoden begannen befruchtungsfähiges Sperma zu produzieren. Es war kein Wunder, dass die Königin von Tobayan ihn in die engere Wahl gezogen hatte. Henan war auch als Eunuch schon attraktiv gewesen, als Gespiel wurde er unwiderstehlich. Henan, in Hochzeitsstimmung, kurz vor der Nacht der Nächte, ein wandelndes Sexualorgan, war ihr, Latil, als Aufpasser zugeteilt worden, im offiziellen Sprachgebrauch als ›Diener‹, und es hatte nicht lange gedauert, bis der Plan fruchtete. Latil verliebte sich in Henan, und sie merkte, wie ihr die Suche nach drei grauen, spielkartengroßen Platten immer unwichtiger wurde, verglichen mit dem Mann, der sich so auffallend um sie bemühte. Welche Überraschung für die Königin, als Henan, trotz seiner Sayakh-Programmierung, seinerseits Gefühle für Latil entwickelte. Ein peinlicher Missgriff der Nestärzte, die ansonsten auf ihre hoch entwickelte Kunst der hormonellen Verhaltenssteuerung so stolz waren. Latil und Henan trafen sich in der Spindel, dem schwerelosen Zentrum des Asteroiden. Die wenig benutzten Versorgungswaben in diesem alten und vernachlässigten Teil des Nestes waren immer kahl, leer und scheinbar unbewacht. Henan ließ immer große Vorsicht walten, er bewältigte die Nacht der Nächte erfolgreich, und trotzdem wurde ihre Beziehung entdeckt. Latil wurde zur Königin zitiert, und als sie das Gesicht dieser Frau sah, die sich große Mühe gab, nur belustigt zu wirken, fröstelte sie.
     
    »Du hast ja nicht einmal Brüste.«
    Latil erinnerte sich an die Königin.
     
    Schön und streng. Ein grauer Anzug, keine Insignien, eine geschäftsmäßige Stimme. Technikerin, dachte Latil, als sie nackt vor der Königin stand, in diesem spartanischen Audienzzimmer ohne alle Extras. Natürlich, die Königin war schön. Schwarze Haare, große blaue Augen, rote Lippen, perfekt geschnittene Figur. Aber Latil entging die Geschäftsmäßigkeit dieser Schönheit nicht. Sie fühlte sich wie beim Arzt, nicht wie im Kampf mit einer mächtigen Rivalin.
    »Du hast Rattenaugen«, sagte die Königin, während sie langsam um Latil herumging. »Du hast keinen Hintern«, sagte sie, mit behandschuhten
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